Große Klappe, nichts dahinter?

Sein Blick glitt reflexhaft zu der Bewegung auf dem Tresen, als das kleine Schnapsglas über die hölzerne Oberfläche schlitterte und an der hinteren Kante einen Abgang machte; der Rest von ihm blieb völlig reglos. Das leise dumpfe Geräusch, mit dem das Glas auf die Arbeitsfläche hinter dem Tresen fiel, verriet, dass es ohnehin nicht kaputtgegangen war. Nicht tief genug gefallen und zu dickes Material.
Sie hatten dem Ding wohl beide nachgeschaut wie zwei Katzen, die herausfinden wollten, was passierte, wenn es einen Abgang machte.
"Falls er es uns verraten würde", korrigierte er anstandslos, aber mit leichter Betonung seinen Sprachgebrauch, der allerdings auch nur das ausdrückte, was er dazu gedacht hatte. Denn Minerva hatte recht: Er hatte gehört, dass Zachery seine Geheimrezeptur à la "Karakal-Schmaus" am liebsten für sich behalten wollte.
Arashis einer Mundwinkel verzog sich zu einem leichten schiefen Lächeln, während er Minerva dabei zusah, wie sie das Schnapsglas wieder hinter dem Tresen hervorfischte und sich gleich dazu noch eine Schnapsflasche krallte. "Am besten bietest du dafür niemandem mehr an, es zu probieren", schlug er vor. Er war sich ziemlich sicher, dass niemand außer ihr hier dieses Gebräu mochte - es sei denn vielleicht, hier versteckte sich noch ein anderer Katzenwandler, von dem er nichts wusste. Oder irgendwas anderes carnivor Lebendes. Er tippte zumindest darauf, dass das Zeug einem Fleischfesser schon irgendwie schmecken könnte. Wenn das Zeug die Runde machte und jeder es so eklig fand wie er, würde Zachery sicher nur in Erklärungsnot kommen. Und wenn sich dann herausstellte, dass irgendwas Komisches drin war, gefiel das Getränk Minerva womöglich ... auch nicht mehr.
Nicht, dass das ein Problem für ihn war, doch genauso wenig hatte er ein Interesse daran, es ihr madig zu machen.
Er entspannte sich langsam etwas mehr und warf Minerva einen Blick aus dem Augenwinkel zu bei ihrem Kommentar. Als sie ihm noch etwas zu trinken anbot, zögerte er kurz, was an seiner Haltung jedoch nicht zu sehen war, und schob ihr dann wortlos mit der Oberseite des Zeigefingers sein Schnapsglas zu, damit sie eingießen konnte. Sie hatte da eine Flasche mit klarem Schnaps geangelt, Reisschnaps vielleicht oder Korn. Auch nicht gerade lecker, aber besser als das dunkle Zeug. Hier an der Theke war nicht so viel los, man konnte sich einbilden, dass es etwas ruhiger war, und vor allem quatschte ihn niemand von der Seite an - jedenfalls bisher. Also war es in Ordnung. Ob das lange so bleiben würde, stand auf einem anderen Blatt. Außerdem beschloss er, dass das wohl das letzte Glas werden sollte. Der Heiler hatte nicht umsonst gesagt, dass er mit Alkohol heute vorsichtig sein sollte, auch wenn er selbst der Überzeugung war, den eigenen Körper besser zu kennen. Wie gut, dass er sich sowieso nicht gerne die Kante gab.
Nachdem Minerva ihm nachgekippt hatte, wartete er, dass sie ihr eigenes Glas zur Hand nahm, und trank dann erneut aus. Er stellte ab und sog die Luft etwas zwischen die Zähne. Der Schnaps war nicht so bitter wie der letzte, aber die Schärfe und der verdunstende Alkohol zogen ihm in die Nase.
Und auch, wenn er jederzeit behauptet hätte, dass dem nicht so war, war der Alkohol vermutlich auch Schuld daran, ihm ein wenig die Zunge zu lösen. Normalerweise hatte er kein Interesse daran, anderen Fragen zu stellen, um mehr über sie zu erfahren. Der Drang, nicht schweigend neben der Katze zu sitzen, war nun jedoch größer. "Warum entscheidet man sich mit einem reichen Arsch für die Feuerarena?", fragte er sie und stützte den Kiefer erneut in die Handfläche, den Blick dabei wieder auf sie richtend.

"Vielleicht sollte ich mich jetzt geehrt fühlen", schob er ihren Worten hinterher, auch wenn ihre Worte nicht sonderlich schmeichelhaft formuliert waren. Oder gerade deshalb. Da Minerva davon ausgegangen war, dass das Zeug auch anderen schmecken konnte, war es am Ende eher eine Ehre als Ausdruck ihres tiefen Hasses ihm gegenüber. Wenigstens konnten andere von seiner Erfahrung profitieren. Oder Minerva machte sich künftig vielleicht doch mal einen Spaß daraus, das Zeug jemandem anzudrehen, den sie nicht leiden konnte.
Zachery kam zurück und hatte gleich bemerkt, dass Minerva sich unerlaubt an seinem Schnapsvorrat bedient hatte. Er machte Anstalten, die Flasche zurückzubekommen, was der Gestaltwandlerin offenbar nicht ganz gefiel. Arashis Blick wanderte von der umkämpften Flasche zurück zu ihrem Gesicht und streifte die sich nach hinten anlegenden Ohren, als sie leise knurrte. Er kommentierte es mal wieder nicht. Das da war ein mehr oder minder stiller Streit zwischen dem Wirt und ihr, und er sah nicht ein, dabei für eine Seite Partei zu ergreifen. Hätte er nur gemacht, wenn ihm daran gelegen gewesen wäre, noch was von der klaren Flüssigkeit zu bekommen. Und eine Regung gezeigt hätte er freilich auch dann, wenn die Miezekatze meinte, über diese kleine Sache ihre Krallen auszufahren. Was nicht bedeutete, dass er ihre Reaktion nicht eventuell trotzdem ein wenig übertrieben fand. Immerhin hatte sie die Flasche nicht bezahlt.
Er auch nicht. Aber er verteidigte sie ja auch nicht.
Minerva gewann fürs Erste und widmete sich anschließend seiner Frage, nachdem Zachery mit einem Brummen aufgegeben hatte. Arashis Augenbraue hob sich erneut leicht, als sie gleich eine Gegenfrage stellte, und man konnte diesen Gesichtsausdruck durchaus auf mehrere Arten deuten. An sich beinhaltete er nur den stillen Gedanken, dass er eine simple Frage gestellt hatte und dies offenbar mal wieder anders angekommen war, als gedacht. Immerhin kam dann doch noch eine Antwort, und der Ausdruck in seinen Zügen neutralisierte sich wieder. Sie erklärte, dass es ihr Spaß machte, und während sie ein weiteres Mal eine Gegenfrage stellte, die sie diesmal ein wenig diplomatischer formulierte, drehte er das Gesicht langsam nach vorn, sodass er sie nicht mehr ansah. Sein Blick glitt stattdessen über die Regale an der Wand hinter dem Tresen, ein wenig nachdenklich vielleicht.
"Du hättest die Wahl, dich für Beschäftigungen und Karrieren zu interessieren, die nicht darin bestehen, andere zu ... verletzen?" Ein geschöntes Verb für das, was in der Feuerarena so alles als Resultat herauskommen konnte. Es war keine Kritik - ob es auch so neutral ankam, war eine andere Frage -, immerhin saß er im selben Boot. Vielleicht mit dem kleinen, aber sehr feinen Unterschied, dass er nur hier war, weil er es konnte. Und weil man es von ihm erwartete. Nicht, weil er mit Feuer und Leidenschaft bei der Sache war. Er hatte zwar keine großen Skrupel, selbst Verletzungen zuzufügen und auszuteilen oder den Zuschauern eine möglichst blutige Show abzuliefern, denn dafür war er ausgebildet - aber er empfand dabei keinen Spaß. Besonders in den vergangenen Monaten hatte er sich öfter die Frage gestellt, warum die Karon eigentlich so versessen auf ihre Feuerarena waren.

Arashi beobachtete Minerva dabei, wie sie ein paar Münzen auf den Tresen zählte. Mehr, als sie bisher in Flüssigkeit umgetauscht hatte. So viel, wie noch in der Flasche war. Ob das bedeuten sollte, dass sie die noch leeren wollte? Er war schon ganz froh gewesen, dass er ihr und sich einfach noch einen einzigen dunklen Schluck Schnaps hatte ausgeben können und nicht dazu gezwungen war, einen ganzen Krug voll Bier trinken zu müssen. Bier mochte er schließlich nicht wirklich. Leider musste man bei Schnaps schneller mit der Menge aufpassen. Und da Arashi auch artig und folgsam sein konnte und sich sowieso nicht abschießen wollte, wollte er schließlich auch auf den Heiler hören. Was wiederum zur Folge haben könnte, dass Minerva abblitzen würde, wenn sie auf die Idee kommen sollte, ihm noch mehr Schnaps anzubieten. Nicht, dass er es erwartete.
Die Skepsis auf seinem Gesicht vertiefte sich ein wenig, als sie bemerkte, dass er seltsame Fragen stellte. Er fand die Frage nicht seltsam. Er stellte sie selten, das stimmte. Je weniger Persönliches er von anderen wusste, desto besser. Besonders dann, wenn sie genauso wenig über ihn wussten. Das war ihm sogar noch sehr viel wichtiger als unnützes Wissen über andere. Er setzte sich etwas auf und schnaubte leicht, als sie fort- und ihn anfuhr. Die Reaktion sah ihr ähnlich. Die Antwort hätte jedoch auch von ihm sein können. Fragen mit ungehaltenen Gegenfragen beantworten - eine beliebte Taktik. Nur neigte er dazu, am Ende die eigentliche Frage gar nicht aufzuklären.
“Stimmt.“
Sie hatte recht, er war auch hier und machte das gleiche wie sie. Die Hintergründe waren vollkommen andere. Er wusste nicht einmal, was er sich für einen Beruf ausgesucht hätte, wenn man ihm alle Türen geöffnet und ihm die Wahl gelassen hätte. Wenn man ihn nicht jahrelang in ein- und derselben Sache ausgebildet hätte, weil der Vater der Ansicht war, dass der große Makel namens Irada-Magie dadurch übertüncht werden konnte, indem der Sohn das tat, was für einen Karon das Charakteristischste war. Das, worauf die Karon am stolzesten waren. Auf ihr Temperament und die Kampffertigkeiten.
Minerva… “Du bist eben eine Karon.“
Ein Blinzeln und sein Blick richtete sich wieder auf sie. Die Aussage klang fast neutral. Sie stand nur etwas scheinbar zusammenhanglos ihm Raum. Sein Blick glitt über ihre dunkelroten Haare, die ihre Herkunft verraten zu wollen schienen.
Ich nicht.

Das Schnapsglas kullerte nach dem erneuten Leeren über den Tresen und Zachery nahm es Minerva im Austausch gegen einen Korken weg. Vielleicht war das ganz gut, insbesondere, da sie seine stumme Aufforderung wenig später umsetzte und den Korken zurück auf die Schnapsflasche stopfte. Arashi verfolgte das ganze nur schweigend und mehr oder weniger desinteressiert, nachdem er zuvor einen Moment lang nachdenklich ihr Haar begutachtet hatte.
Na, was hieß "begutachtet". Sicher war das Haar einer Frau ein wichtiger Kritikpunkt, um sie hübsch oder sogar attraktiv zu finden, doch er war schließlich nicht damit beschäftigt, ihre Äußerlichkeiten zu bewerten, und zudem hatte er weder an ihr, noch an einer der anderen anwesenden Damen irgendein gesteigertes Interesse. Zumal Minerva hier sowieso jeden Mann hätte abblitzen lassen. Das einzige, was er fand, war, dass ihre Haare eine nette Farbe hatten und ein etwas sanftere dunkleres Rot aufwiesen als die rote Strähne auf der linken Seite seines Kopfes. Das jedoch auch nur nebenbei, und nur weil er wusste, dass rote Haare überall vorkamen und keineswegs sonderlich charakteristisch für einen Karon waren.
Offenbar geriet sein Kopf durch die angenehme Wärme im Magen und das sachte Wattegefühl ein wenig auf Abwege.
"Mein Vater ist ein Karon", sagte er, als erklärte das nun einwandfrei, warum er ebenfalls hier war. Vielleicht tat es das sogar - zumindest in seinem speziellen Fall. Er senkte den Blick auf sein eigenes Schnapsglas, das er immer noch - oder wieder? - zwischen den Spitzen von Daumen, Zeige- und Mittelfinger auf dem Tresen hielt und es hin und wieder leicht drehte oder den Fingernagel gegen die Glaswand tickte.
Er zuckte leicht die Schultern, weil er nicht ganz sicher war, ob Minerva wusste, worauf er hinaus wollte, und er ein wenig den Faden verloren hatte. Man musste jedoch auch sagen, dass er nicht wirklich damit gerechnet hatte, dass sie seine Frage selbst so infragestellen würde, weshalb er nun minimal ins Schlingern geriet bzw. nicht mehr ganz sicher war, worauf der jeweils andere hinaus wollte. Ursprünglich war es immerhin darum gegangen, warum eine reiche Karon gerne in die Arena wollte. Nicht darum, warum es ihm konkret um die Karon ging, obwohl ja auch Angehörige der anderen Inseln hier waren.
"Vielleicht bringt es ihnen gutes Geld, das sie und ihre Familien brauchen? Oder sie haben einfach genauso viel Spaß dran wie du? Scheint mir aber mehr ein Karon-Ding zu sein." Sein Blick löste sich von ihr und schweifte vielsagend und gleichzeitig überprüfend in die anwesende Menge. Die Karon überwogen eindeutig. Für ihn nicht verwunderlich, da es ja sowohl seine Meinung stützte als auch daherrührte, dass die Feuerarena sich nun einmal auf Kjubika befand.

Er hielt kurz inne, als Minerva nachhakte, löste die Lippen erneut voneinander und holte Luft – seufzte dann aber doch nur und winkte ab. War ja nicht so wichtig. Vielleicht wäre es sogar besser, die Unterhaltung dahingehend nicht wieder besonders zu vertiefen, wenn man sich anschaute, wie gereizt sie anfangs darauf reagiert hatte. Darauf hatte er gerade keine Lust. Ihren ersten kleinen Streit für heute hatten sie ja schon hinter sich, der nächste durfte wegbleiben. Vor allem jetzt, wo hier keiner mehr so richtig nüchtern war.
Er nahm das Kinn aus der Hand und beugte den Nacken, sodass er sich stattdessen mit weiterhin aufgestütztem Ellbogen durchs Haar fahren konnte, das sich vom Waschen immer noch etwas kühl anfühlte. Er rieb sich über das Gesicht und unterdrückte ein weiteres leichtes Seufzen. Minerva nutzte den Augenblick, um aufzustehen, was nicht ganz so unkoordiniert aussah wie gedacht, und verkündete, dass ihr die Atmosphäre hier drinnen zu viel war.
Er sah ihr kurz nach, bevor er ebenfalls vom Hocker herunterglitt und Zachery herüberwinkte.
“Kannst du mir was davon geben?“ Er deutete hinüber zu einem Körbchen hinter der Theke, in dem der Rote Schakal Jerky hortete, das man hin und wieder auf den Tischen verteilte, wenn zu wenig gegessen und zu viel gesoffen wurde. Zachery händigte ihm eine Handvoll Jerkystreifen aus und anschließend auch noch einen Krug mit Wasser, den Arashi zügig leerte, ehe auch er den Weg nach draußen antrat.
Draußen war es mittlerweile dunkler geworden. Die Temperaturen hatten sich noch nicht ganz angepasst. Es war immer noch warm, die Hitze stieg vom trockenen Boden auf. Immerhin die Luft war hier draußen besser als drinnen und es war bedeutend leiser. Ein paar andere hatten sich ebenfalls nach draußen verirrt.

Er war nicht direkt auf der Suche nach Minerva. Der einzige Grund, weshalb er ihr gefolgt war, war jener, dass sie recht hatte und es hier draußen viel angenehmer war. Nun ja, und auch, wenn sie einander vor gut einer halben Stunde noch ziemlich angefahren hatten, war sie ihm durchaus lieber, als allein am Tresen hocken zu bleiben und sich am Ende noch mehr Sprüche anzuhören. Der Alkoholpegel war zwar insgesamt noch nicht so hoch, dass es dort drinnen hemmungslos wurde, doch auch darauf könnte er getrost verzichten.
Wie auch immer; er drehte den Kopf, da Minerva ihn anquatschte, bevor er sie überhaupt entdeckt, geschweige denn aktiv nach ihr Ausschau gehalten hatte. Er hatte nur einen Moment lang die vergleichsweise "frische" Luft geatmet. Minerva hatte sich ein Plätzchen unweit der Tür gesucht. Die Beleuchtung an der Wand reflektierte auf ihren Netzhäuten, wodurch die Pupillen grüngrell zu leuchten schienen. Katzenmäßig eben. Arashis Augen beherrschten diesen Trick nicht, auch wenn sie mit schlechten Lichtverhältnissen trotzdem gut klarkamen. Sie blieben fast schon langweilig und gewöhnlich braun, leuchteten nicht und auch die Pupille war nicht geschlitzt. Ein äußerliches Merkmal an ihm, das wirklich komplett menschlich schien.
"Ich fand deine Idee nicht schlecht", versetzte er, schob die eine Hand in die Hosentasche der grauen Hakama und trat etwas näher zu ihr, sodass er sich an die hölzerne Fassade lehnen konnte. Die andere hob er zum Mund und steckte sich das Ende einer der etwas wabbeligen Stangen zwischen die Zähne. Anschließend hielt er die Auswahl Minerva fragend hin, falls sie vom Jerky auch etwas haben wollte. "Ich kann dich auch in Ruhe lassen, wenn dir das lieber ist."

Eigentlich hatte Minerva Glück. Es war ungewöhnlich genug, dass er jemandem irgendwohin folgte - auch wenn er nun nicht ausschließlich in der Absicht herausgekommen war, ihr weiter auf den Geist zu gehen. Noch ungewöhnlicher war, dass er sich nach einer kurzen Auseinandersetzung so zahm gab und ihr sogar auch noch echte Interessensfragen gestellt hatte. Gut, der Alkohol war daran nicht ganz unschuldig. Vermutlich auch nicht, dass er grundsätzlich besser mit Frauen zurechtkam als mit Männern - zumindest dann, wenn sie ihm nicht gleich auf die Pelle rückten. Man mochte es kaum glauben, aber ein Nein wurde nicht nur von Männern gerne zu einem Ja missinterpretiert. Es ging auch andersherum. Bei manchen Frauen hatte er sogar das Gefühl, dass sie anhänglicher wurden, je mehr man sie auf Abstand zu halten versuchte. Wie auch immer: Minerva war sich ihres Glückes nicht bewusst, und das war eigentlich ganz angenehm.
Gleichzeitig war ihm klar, dass sie keinen Grund hätte, sich mit ihm abzugeben, und auch keinen, ihn nicht anzufauchen, wenn ihr danach gewesen wäre. Gerade war es also schlicht und ergreifend alles ziemlich simpel, und das tat ehrlicherweise ganz gut.
Fest stand, dass es keinen von beiden davon abhalten würde, beim nächsten Mal in der Arena nicht genauso fest zuzuschlagen wie sonst auch. Nun ja, auch wenn Zuschlagen nicht so ganz Arrows Ding war. Und als Schlagen konnte man Minervas Krallenhandtechnik sicher auch nicht unbedingt bezeichnen.
"Wie überaus großzügig", bemerkte er leicht sarkastisch und riss mit den Zähnen das obere Stück von dem getrockneten Fleischstreifen ab. Die Konsistenz ließ ein wenig zu wünschen übrig und er fand den Geschmack generell ein wenig zu stark. War aber aktuell egal. Er kaute darauf herum und warf dem Fensterbrett einen prüfenden Blick zu, entschied sich aber dagegen, sich daraufzusetzen. Stattdessen wanderte der Blick weiter zu Minerva, da diese unerwarteterweise auf seine Frage von zuvor zurückkam.
Es hatte drinnen so gewirkt, als hätte sich das Thema erledigt, immerhin war es auch ein wenig ausgefranst. Vielleicht regte die vergleichsweise frische Luft hier draußen ihren Kopf an, doch noch was dazu loswerden zu wollen.
"Da wäre noch der Spaß", fügte er für sie an, da sie auch das bereits erwähnt hatte und es ihm mit einem kleinen Nachgeschmack hängengeblieben war, auch wenn sein Tonfall sachlich blieb und man davon nichts erkennen konnte. "Und außerdem?"

Als sie auflachte, zuckte seine Augenbraue für einen kurzen Moment in die Höhe und er sah ihr dabei zu, wie sie den Kopf nach vorn neigte. Seine Bemerkung schien sie zu belustigen, keine Ahnung, warum, immerhin hatte sie es eben noch selbst gesagt. Er ließ sie nicht aus den Augen, was jedoch nicht an Misstrauen oder Ablehnung lag, auch man es durchaus meinen könnte. Ihn interessierte einfach nur, was da nun noch kommen mochte. Dabei war es im Grunde nicht mal so, als wäre das, was sie im Anschluss sagte, besonders abwegig oder erstaunlich. Nicht einmal für ihn.
Sein Mundwinkel hob sich leicht, und er nahm es keinesfalls als Seitenhieb, dass ihre erste Aussage und ihr Blick ihn wissen ließen, dass er wohl zu den nervigen Kampfpartnern gehörte. Es war aus seiner Sicht schon eher ein Kompliment, schließlich wollte er es ihr weder leichtmachen, noch für Langeweile sorgen. Gut, auch wenn "nervig" auch auf dem Kampfplatz nicht unbedingt immer dafür sprechen musste, dass man eine gute Darbietung hinlegte. Es gab schließlich nicht nur die Gegner, sondern auch noch die Zuschauer. Und wenn man sich für die nicht interessant oder gut genug darstellte, dann war das gar nicht angenehm. Wenn die Zuschauer einen nervig fanden, dann bekam man das durchaus mit... Und das machte sich selten gut.
Es war nicht verwunderlich, dass sie ihr Leben hier mochte, weil sie Freunde gefunden hatte, die sich nicht bei ihr einschleimten und mit ihr befreundet sein wollten, weil Minerva reich war und aus einer adeligen Familie stammte. Zweibeiner waren in der Regel soziale Wesen, die Anschluss suchten und nach gegenseitigem Respekt und Zuneigung resp. Freundschaft und Bestätigung suchten. Sogar Arashi ging es so, wenn auch aus diversen Gründen auf eher reduzierte Art - was insgesamt auf Gegenseitigkeit beruhte: Er ließ sich nicht leicht auf andere ein, knüpfte nicht schnell positive Beziehungen oder gar echte Freundschaften, und andere zeigten nicht besonders schnell den Willen und die Geduld, sich mit ihm anzufreunden, weil er nicht besonders einfach war.
Letztlich waren das die Gründe, weshalb er Minerva zwar verstand, aber ihr nicht wirklich zustimmen konnte. Nun, ein weiterer kam hinzu, die wiederum aus mehreren kleinen zusammengesetzt waren.
In seinem Blick hatte sich minimal etwas verändert bei ihrer Frage. Er wirkte berechnender. Nach einem Moment wandte er ihn nach vorn ab.
"Nur bedingt", sagte er, riss mit den Zähnen ein weiteres Stück Jerkyfleisch ab und ließ das mal so stehen. Er würde genauer darauf eingehen, wenn sie nachhakte, vermutlich aber nicht von selbst. Allerdings war es auch ganz und gar nicht unmöglich, dass Minerva in der Vergangenheit bereits mitbekommen hatte, dass er nicht besonders oft freundschaftlich mit anderen umging. Aber auch, dass es mehrere Personen gab, die nicht sehr nett zu ihm waren.
Genauso hatte sie sicher schon mitbekommen, dass er nicht zu den gesprächigsten Leuten gehörte, was sie dazu zwingen würde, ihm das ganze ein wenig aus der Nase zu ziehen, wenn sie es unbedingt erfahren wollte.

Arashi war nicht mehr ganz sicher, warum er gleich eine ganze Handvoll von den Streifen mit nach draußen genommen hatte. Hunger hatte er eigentlich keinen und über die Maßen gerne aß er sie auch nicht. Dementsprechend hielt er Minerva dieses kleine bizarre Bouquet direkt wieder hin, als er ihren Blick bemerkte, damit sie sich bedienen konnte. Im Gegensatz zu ihr blieb er stehen, als sie sich an der Wand zu Boden rutschen ließ. Mit der freien Hand fasste er sich einen Augenblick lang über den Bauch zur Seite und tastete mit den Fingerspitzen über der Kleidung über den Verband, um herauszufinden, ob da noch etwas wehtat.
Es zog ein wenig.
“Es wäre komisch, wenn ich mich darüber beschweren würde, dass ich hier nicht wirklich Freunde habe, wenn ich mich nicht um sie bemühe, oder?“, versetzte er auf ihre Bemerkung hin zunächst und tat es ihr dabei gleich, indem er nicht zu ihr, sondern nur nach vorn blickte. Sein Mund blieb kurz verschlossen und er tat nur einen Atemzug, während er eine Handvoll anderer Männer auf der anderen Seite der Kneipe dabei beobachtete, wie sie in Gelächter ausbrachen. “Es gibt hier eine Reihe Leute, die was gegen mich haben und es mich auch spüren lassen.“
Er riss ein weiteres Stück von dem Streifen Jerky mit den Zähnen ab.
“Ich höre mir schon mein ganzes Leben lang Dinge an, die nicht besonders nett sind. Hier hat sich daran nichts geändert. Es ist eher noch schlimmer geworden.“ Auch wenn hier anders als in der Ausbildung oder in der Schule nicht jeder wusste, dass sein Vater ein Karon war. Es war nicht unbedingt besser, ein Irada zu sein, der den meisten der Karon hier auf der Nase herumtanzte.

"Hn...", machte er, was weder nach einer Zustimmung, noch einem fragenden Laut klang und offenbar nur dazu diente, Minerva mitzuteilen, dass er ihre anfänglichen Worte gehört hatte. Nun ja, vielleicht war es doch eine Zustimmung, immerhin stellte sie treffend fest, dass es der Grund sein mochte, weshalb sie keine Freunde waren. Auch wenn er sich deswegen unweigerlich fragte, ob sie befreundet wären, wenn er sich darum bemühen würde. Schließlich zeigte Minerva auch keine besonderen Ambitionen dazu. Andererseits: Warum sollte sie?
Soweit, so gut. Hätte sie es an dieser Stelle belassen, wäre das Gespräch zwar nicht weitergelaufen, doch es hätte auch nicht auf einen falschen Weg abrutschen können. Konnte gut daran liegen, dass Minerva seine Erklärung als Beschwerde verstand, dabei hatte er doch gerade extra gefragt, dass es komisch wäre, sich zu beschweren, wenn er sich nicht bemühte. Das wusste er selbst. Aber nun ja, jetzt ging es wohl mehr um die gegenteilige Seite als die der Freundschaften. Und Minerva gab ihm den superguten Tipp, dass er sich doch bitteschön nicht so anstellen sollte.
Sein Blick hing wieder oder immer noch an der kleinen Gruppe Männer, die bei ihrem Gespräch irgendetwas total lustig zu finden schienen, doch er drückte sich dabei nun von der Wand ab, schob dann den einen Fuß etwas nach vorn, sodass sein Körper eine leichte Drehung in Minervas Richtung beschrieb - und ließ sich dann langsam in die Hocke gehen. Die Bewegung war sehr geschmeidig, da stand er einer Katze nicht wirklich nach. Er stützte die Ellbogen auf die Knie, sodass seine Hände zwischen diesen aneinanderhingen, und wandte den Blick dabei nun auch in Minervas Gesicht. Seine Miene hatte sich etwas verändert.
"Was, glaubst du, tue ich dafür nicht schon alles, Minerva?", fragte er sie leise. Aber du rätst mir doch gerade sicher nicht, nicht zurückzutreten, oder? Gerade du mit deiner großen Klappe." Er hob eine Augenbraue, blinzelte. "Davon mal abgesehen hab ich nicht gejammert oder nach deinem Rat gefragt."

Die drei noch übrigen Jerkystreifen in seiner Hand hinterließen langsam ein etwas fettiges Gefühl auf der Haut. Einfach auf den Boden oder die nicht unbedingt saubere Fensterbank wollte er sie aber auch nicht legen, sodass seine Finger auch weiterhin darum lagen und das getrocknete Fleisch etwas traurig neben seinem einen Unterschenkel Richtung Boden hing, ohne diesen zu berühren.
Sein Blick blieb auf Minerva gerichtet, die nicht sofort etwas sagte und sich stattdessen die Zeit nahm, die Flasche zu öffnen und noch etwas daraus zu trinken. Ihre Ohren verrieten, dass ihr das hier nicht ganz gefallen hatte, aber sie ärgerten seine Worte sicher nicht so wie ihre ihn.
"Ich jammere nicht. Ich hab dir gesagt, dass ich deine Erfahrungen über Freundschaften hier nicht unbedingt teile, und aus welchem Grund das so ist." Eine recht sachliche Darstellung der Tatsachen, aber sein Tonfall war etwas angespannt und sicher nicht erfreut. Er konnte nicht so recht nachvollziehen, warum sie ihn mit ihrer Bemerkung offenbar dazu hatte ermuntern oder verleiten wollen, ihr seine Sicht der Dinge zu schildern, wenn sie am Ende meinte, er würde sich beschweren. Es war doch offensichtlich gewesen, dass er ihr keine Geschichten von der Magie der Freundschaft erzählen würde.
Das war genau der Grund, warum er so ungerne Dinge teilte. Leute hatten die erstaunliche Fähigkeit, alle möglichen Aussagen anders zu verstehen, als sie gemeint waren. Ja, er auch. Trotzdem hasste er es, sich zu rechtfertigen. Mittelbar trug das natürlich auch noch dazu bei, dass er sich tatsächlich nicht gerne anderen anvertraute. Schon gar nicht dann, wenn man ihm sagte, dass er nicht rumheulen sollte. Schließlich sagte man ihm das schon sein ganzes Leben lang, und das trug nun mal Früchte. "Heul nicht. Reiß dich zusammen. Hör auf, dich zu beschweren."
Arashi erhob sich langsam wieder und trat wieder einen kleinen Schritt zur Seite. "Wenn du’s nicht hören willst, halt beim nächsten Mal einfach den Mund."

Arashi war es ziemlich gleichgültig, ob Minerva sich nun gewählt oder doch eher unflätig ausdrückte. Wobei, vermutlich hätte er sie überhaupt nicht ernstnehmen können, wenn sie hier mit hochgestochenem Adelsgelaber um die Ecke käme. Es hätte keinesfalls für mehr Respekt gesorgt. Und das doch, obwohl er genau wusste, wie man das machte, wenn es sein musste. Ja, er konnte durchaus sehr höflich sein, aber auch nur dann, wenn er es wirklich unbedingt musste. Dafür konnte man meist an der Art und Weise, wie er sich ausdrückte, trotzdem erkennen, dass ihm kein geringes Maß an Bildung zugeflossen war, im Gegensatz zu dem ein oder anderen hier, den man offensichtlich früh aus der Schule genommen hatte, damit er mehr Zeit hatte, um zu lernen, wie man andere am besten verprügelte.
Um es mal so zu sagen.
Als sie zum ersten Mal zurückschoss, hatte er nur einen gereizten Blick für sie übrig und stopfte sich noch etwas von dem Jerky in den Mund, das sich langsam dem Ende neigte. "Tut mir leid, dass du nicht intelligent genug bist, mich zu verstehen", gab er jedoch zurück, als sie noch einmal meinte, dass er sich nicht gut ausgedrückt hatte. Er wirkte ein wenig wütend, auch wenn seine Stimme ruhig blieb, und wenn man sich mal die Mühe gemacht hatte, zu beobachten, wann der Windzug an ihm sich wie verhielt, dann konnte man es auch daran sehen, wie er an seiner Kleidung zog. Aber den brauchte man in diesem Fall nicht wirklich als Indikator. Sein Blick reichte aus, der umso verärgerter wirkte, da Minerva blöd grinste.
Nein. Das war die Mühe nicht wert.
Er verbiss sich eine spitze Bemerkung, da sie diese nur als Anlass genommen hätte, ihm erneut vorzuwerfen, dass er nur herumjammerte. Stattdessen schnaubte er nur leise und ließ sie im wahrsten Sinne des Wortes sitzen, denn er wandte sich ab und entfernte sich von ihr.