[yaaaay! ^__^]
Der Wald nahm einfach kein Ende...
Nach fünf Tagen oder so verzählte ich mich und war nicht mehr sicher, wie lange ich nun schon durch diesen Wald irrte. Meine mickrigen Vorräte, die ich aus Lago Jun mitgenommen hatte, waren längst aufgebraucht und der Hunger nagte an mir, auch wenn ich es mit Hilfe der Waldtiere gerade so schaffte zu überleben. Sie zeigten mir immerhin, wo es Wasser gab, aber mit Essen war es etwas schwieriger. Ich konnte kein Gras essen wie die Rehe, keine Mäuse fangen wie die Füchse, und so hungrig dass ich Würmer wie die Vögel aß, war ich auch noch nicht. Ich fand ein paar Nüsse und Beeren, aber bei den Beeren wurde mir anschließend so übel, dass ich es nicht noch einmal versuchte.
Auch wenn ich die Tiere nach dem Weg fragte, war es nicht so einfach, sich von ihnen führen zu lassen. Entweder sie verstanden mich nicht richtig, wussten vielleicht auch gar nicht was ich mit einer Stadt meinte, oder sie verloren irgendwann die Geduld und zogen ohne mich weiter, weil ich nicht mithalten konnte. Tiere eben.
Eigentlich wäre der Wald ja ein interessanter Ort... aber ich war allein, ich hatte Angst, Hunger, und mir saßen die vergangenen Erlebnisse noch ziemlich in den Knochen. Verzweiflung begann immer mehr an mir zu nagen. Die Geräusche Nachts waren gruselig und ließen mich nicht gut schlafen; der Wald schien nie ruhig zu sein und bestimmt gab es hier auch Monster oder so... An die Kälte und das Schlafen unter freiem Himmel war ich ja gewöhnt, das störte mich nicht. Aber dieser Wald verlangte mir schon einiges ab...
Daher war ich heilfroh, als ich endlich in Cern ankam. Beinahe hätte ich es verpasst, denn auf dem Waldboden sah man nichts davon. Es waren ein paar Menschen - die ersten seit etlichen Tagen! - die ich bemerkte, als sie einen versteckten Aufzug nach oben nahmen. Ich folgte ihnen und gelangte in die Stadt in den Baumwipfeln...
Erinnerungen wurden in mir wach. Ich wusste, dass ich hier schon einmal gewesen war, aber das war ziemlich lange her. Ich erinnerte mich an Bekannte, mit denen ich hier gewesen war... bevor ich irgendwann gegangen war. Es war so lange her und ich war damals noch so klein gewesen, dass ich mich kaum richtig erinnerte.
Es war nicht ganz so einfach, hier oben an etwas zu Essen zu kommen, denn die Stege und Brücken waren ganz anders als Straßen und Gassen, in denen man gut verschwinden konnte. Ich erhaschte trotzdem hier und da etwas zu Essen oder ein bisschen Geld, mit dem ich mir etwas kaufen konnte. Trotzdem fühlte ich mich nicht sicher... Mir saß die Angst noch im Nacken. Ob mich hier jemand suchen würde..?
Ich blieb in Bewegung, wechselte auch noch einmal in den unterirdischen Teil von Cern, als ich die Menschen dabei beobachtete wie sie die Wege benutzten. Eher ziellos streifte ich durch beide Stadtteile und versuchte zu überlegen, was ich als nächstes tun sollte. Ich hatte Angst zurück zu gehen... Aber auch hier wollte ich nicht bleiben. Es war zu nah...
Der unterirdische Teil von Cern war mir meist lieber, weil es hier immer noch mehr dunkle Ecken gab, in die man sich flüchten oder wo man sich verstecken und untertauchen konnte. Vor allem bei Regen war es hier angenehm, denn es blieb trocken. Außerdem gab es hier viele Läden und Stände, ja richtige Marktplätze, wo ich oft etwas abstauben konnte.
Und eines Tages schnappte ich einen Gesprächsfetzen auf, der mich hellhörig werden ließ. "Da hinten in Ace's Laden, da wo der mit der Narbe im Gesicht arbeitet, wie heißt er noch?" - "Rave?" - "Ja genau! Da find'ste alles was du brauchst."
Rave? Narbe? Oh ja, ich erinnerte mich, dass ich mal so jemanden gekannt hatte. Der auch hier in Cern gewesen war. Konnte er das sein?
Es war nicht schwer, den Laden zu finden. Ich hielt mich auf Abstand und beobachtete die Gegend, und tatsächlich sah ich ihn. Es war zu lange her und ich wusste nicht mehr genau wie er aussah, aber die Narbe war schwer zu vergessen. Ich hielt mich trotzdem versteckt... folgte ihm nur, um zu sehen wo er hinging. Wo er lebte. Dann verschwand ich wieder und kam am nächsten Tag zurück, aber das Haus war verwaist. Ich warf einen Blick durch die Fenster, machte mich aber kurz darauf wieder davon.
Noch ein paar Tage vergingen. Aber es wurde nicht besser. Wenn mich ein Erwachsener zu intensiv ansah, fürchtete ich immer, dass es einer von ihnen war. Und wenn einer mich beim Stehlen erwischte, packte mich die Angst, entdeckt zu werden - etwas das ich noch nie so erlebt hatte.
Und fast das Schlimmste war, dass ich mit niemandem darüber sprechen konnte. Die anderen waren alle weit weg. Das Gelächter und Rumgeblödel hätte mir die Angst schon wieder ausgetrieben. Gemeinsam waren wir stark. Aber ich war hier alleine...
Ich rang lange mit mir, aber schließlich machte ich mich wieder auf in den Baumteil der Stadt. Ich fand das Baumhaus wieder, setzte mich in eine versteckte Ecke drei Brücken entfernt und wartete. Und wartete...
Es wurde dunkel, aber hier war es das eigentlich nie so ganz wegen den vielen Lichtern von den Pflanzen und so, die es überall gab. Es war eigentlich sogar ziemlich schön. Ich musste zwei Mal meinen Standort wechseln, weil die Passanten mich komisch ansahen, aber endlich wurde meine Geduld belohnt. Aus der Ferne und in der Dunkelheit sah ich es nicht so genau, aber irgendjemand ging zu dem Baumhaus und trat ein. Licht ging im Inneren an. Es fing an zu nieseln und ich zog mir die Kapuze meines Umhangs über den Kopf.
Ich wartete noch eine Weile, dann machte ich mich auf den Weg über die Brücken und Stege bis zu dem Baumhaus. Zögerlich, denn ich fühlte mich ganz und gar nicht wohl dabei. Aber ich war eigentlich kein Angsthase - pah! - und wenn irgendwas nicht stimmte, konnte ich immer noch schnell abhauen. Warum war ich dann trotzdem so nervös?
Schließlich stand ich vor der Tür und starrte sie entschlossen an, auch wenn mir die Unsicherheit den leeren Magen umdrehte. Ich sah mich um, damit auch keiner in der Nähe war - dann nahm ich meinen Mut zusammen und klopfte. Sofort trat ich einen Schritt zurück... und wartete. Nass, schmutzig und mit klopfendem Herzen.