Nevos Straßen

Was sollte wohl aus uns beiden werden? Wo mir Nevo schon so fremd vorkam, und Nayol sicher auch, wie sollte es erst auf einer der anderen Inseln werden?
Aber es half nichts. Wir mussten fort. Früher oder später.
Ein leichtes Lächeln erschien auf meinem Gesicht bei Briannas Worten, ohne dass ich zu ihr hinüber sah. Mein Blick war noch auf Nayol gerichtet und ich fütterte ihm noch etwas Heu. "Ja, ich denke er hat sich ganz gut gemacht. Ein paar Tage wird es sicher noch gehen. Er wird sich schon daran gewöhnen", meinte ich, und antwortete damit etwas verspätet auf Briannas Frage von vorhin. Ich trat ein Stück neben Nayol und drehte mich damit so um, dass ich zu meiner Gastgeberin hinüber sehen konnte.
Ein wenig hin und her gerissen war ich schon, was das anging. Ich war noch nicht sicher, was ich von Nevo hielt. Bisher war es mir einfach nur sehr voll und eng vorgekommen. Auch ich hätte gern wieder etwas mehr Weite um mich gehabt. Aber andererseits wusste ich auch, dass es noch zu früh war, weiter zu reisen. Ich fühlte mich immer noch durcheinander - auch wenn ich nicht wusste, ob sich das so bald geben würde - und hatte keine Ahnung, wie es weitergehen sollte. Meine Vorbehalte gegen Brianna waren zwar nicht gänzlich verschwunden, aber in anbetracht meiner Situation hier war ich eher froh, noch bei ihr sein zu können, und das drängte den Rest in den Hintergrund. Ich fühlte mich noch nicht bereit für eine noch fremdere Welt.

Brianna nickte und erwiderte Rhianns Lächeln noch einen Moment lang. „Wollen wir noch ein bisschen bleiben? Hier müssten irgendwo auch Putzsachen sein. Er sieht zwar nicht besonders schmutzig aus, aber er freut sich bestimmt, wenn er ein bisschen betüddelt wird.“
Mit einem leichten Grinsen zwinkerte sie Rhiann zu und wandte sich dann auch schon ab, um nach den Putzutensilien zu schauen. Sie kam mit einem hölzernen Eimer wieder, in dem sich allerhand Bürsten befanden. Auch ein Hufmesser war dabei. Sie hatte ihr eigenes Zeug, doch es befand sich nicht hier, sonst hätte sie Rhiann diese angeboten. Aber auch in dem Eimer war genug Auswahl. Auch Bürsten, die sich sicher auch für Nayols Fell eigneten.
Sie stellte den Eimer für sie beide gut erreichbar vor die beiden Stände von Katarrah und Nayol und schnappte sich dann einfach eine Bürste daraus. Auch Katarrah fand es toll, wenn man sie putzte, sodass Brianna hier zwei Fliegen mit einer Klappe schlug. Ein bisschen mehr Zeit für Rhiann und Nayol zusammen und eine zufriedene Katarrah.
Sie öffnete die Tür der Box und trat zu der Stute, die sich ihr zuwandte und sie mit gespitzten Ohren beobachtete. Ihr hing Stroh am Rücken. Sie hatte sich zum Schlafen offenbar in der Nacht zumindest kurz hingelegt. Platz zum Wälzen war nicht genug, daher kam es also sicher nicht.
„Wie ist Nayol eigentlich zu ‚deinem‘ Kuruk geworden?“, fragte sie, während sie begann, Katarrah am Hals zu putzen.

Briannas Vorschlag ließ mich wieder leicht lächeln. "Ja gern. Das klingt gut."
Nicht nur Nayol würde das gut tun, auch ich fand es angenehm. Hier drinnen war es ruhiger und die Stadt schien weit weg. Und Nayol war bei mir.
Ich trat aus der Box heraus, während Brianna sich schon abgewandt hatte und nach Putzsachen umsah, die sie auch nach kurzer Zeit fand. Sie brachte einen Eimer mit verschiedenen Sachen, und ich nahm mir eine Bürste heraus und ging zurück zu Nayol.
Die nächsten Minuten war ich vorerst damit beschäftigt, Nayol zu bürsten, der zwar nicht besonders schmutzig war, aber trotzdem einiges an Staub angesammelt hatte. Ich warf Brianna einen kurzen Blick zu bei ihrer Frage und widmete mich dann wieder Nayol.
"Als wir dreizehn waren und ab jetzt auch mit zu Besuchen bei anderen Stämmen kommen sollten, konnten wir ein eigenes Kuruk bekommen." Ich merkte plötzlich, dass ich von 'wir' sprach, statt nur von mir, und die Erkenntnis versetzte mir einen leichten Stich. Früher hatten wir alles gemeinsam getan. Jetzt gab es kein Wir mehr...
"Er war eins von den Jungtieren, die langsam angeritten wurden", fuhr ich schnell fort. "Er war ruhig und verschmust, deswegen gefiel er mir. Und Ela hat seine Schwester genommen." Ich schwieg ein paar Augenblicke, während Nayol genüsslich den Hals streckte, wo ich ihn gerade abrieb. "Ich durfte dann auch ein bisschen mithelfen bei seiner Ausbildung, und als er dann soweit war, bin ich immer ihn geritten."