Briannas Haus

Mit einem leichten Lächeln zog Brianna sich wieder zurück, schloss die Shoji und trat zu ihrem Bett hinüber. Sie war schnell eingeschlafen, sobald sie sich hingelegt hatte, und in der vertrauten, heimeligen Umgebung mit dem vertrauten Duft und dem vertrauten Gefühl der Decke und des Untergrundes unter sich schlief sie auch tief und fest, ohne aufzuwachen.
Der Weg vom Dorf bis zur Hauptstadt war allerdings auch weniger anstrengend gewesen als der vorige Teil ihrer Reise, sodass sie relativ früh zum ersten Mal wach wurde. An dieser Stelle drehte sie sich jedoch erst noch einmal um und döste für eine weitere kleine Weile weiter. Erst, als ihr wieder einfiel, dass sie zeitig mit Rhiann zum Markt wollte, setzte sie sich auf und rieb sich den Schlaf aus den Augen.
Sie streckte sich und gähnte verhalten, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und strich es sich dabei über den Kopf zurück. Dabei sah sie zu der kleinen Lücke zwischen den Paneelen nach draußen, wo es bereits heller geworden war. Immer noch früh, aber nicht mehr zur Unzeit. Sie zog sich frische Kleidung aus ihrem Kleiderschrank an, entwirrte notdürftig ihre Haare und schlich dann zurück zum vorderen Bereich, wo Rhiann ihren Schlafplatz hatte, und lugte durch die Tür zu ihr, die sie leise etwas zur Seite schob.
"Bist du schon wach?", flüsterte sie und kam dann näher. "Ich werde einen Tee kochen und eine Kleinigkeit zum Essen raussuchen, damit wir bald aufbrechen können, ja?"

Als ich das erste Mal wach wurde, war es tatsächlich noch recht dunkel - oder vielleicht bildete ich mir den ersten Schimmer Tageslicht auch nur ein, weil sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Es war noch immer befremdlich für mich, in einer fremden Umgebung aufzuwachen, und im ersten Augenblick, als ich noch im Halbschlaf war, wusste ich auch nicht mehr, wo ich mich befand. Es fiel mir aber schnell wieder ein - genau wie natürlich auch der Grund, warum ich hier war.
Da es ohnehin noch zu früh war, drehte ich mich auf die andere Seite und versuchte wieder einzuschlafen, was mir nach einer Weile auch gelang, diesmal war es aber nur noch ein leichter, eher halb dösender Schlaf. Zwischendurch wurde ich auch noch ein paar mal etwas wacher, stand aber trotzdem nicht auf. Zuletzt waren es, wie so oft, meine Gedanken, die mich nicht mehr einschlafen ließen.
Das ging aber wahrscheinlich dann auch gar nicht mehr so lange, bis ich aus dem Nebenraum mehr Geräusche hörte als nur gelegentliche Bewegungen im Schlaf oder Halbschlaf. Ich hörte wie Brianna aufstand und etwas machte, und das ließ mich dann auch endgültig wach werden. Es war mir ohnehin lieber, etwas zu machen, als weiter hier zu liegen.
Daher blickte ich auch gleich auf und gab einen bestätigenden Laut von mir, als Brianna in der Tür erschien. Ich setzte mich auf und schob meine Haare nach hinten.
"Ja, das klingt gut", antwortete ich dabei, streckte mich einmal und gähnte dann.
Während Brianna nach unten ging, stand ich auf und zog mich nun ebenfalls an, entwirrte meine Haare ein wenig, streckte auch die Flügel einmal durch und folgte meiner Gastgeberin dann schließlich nach unten.

Sie nickte mit einem "okay" und zögerte dann auch gar nicht weiter, sondern tapste die Treppe hinunter und ging in die Küche. Frisches Brot hatte sie natürlich nicht im Haus, aber sie machte sich rasch daran, Reis für einen Brei aufzusetzen, suchte etwas Räucherfleisch und Trockenfrüchte heraus und machte sich am Ofen zu schaffen, um auch Tee kochen zu können.
Mithilfe ihrer Fähigkeiten knisterte schnell ein Feuer unter dem Herd, sodass es nicht zu lange dauern würde, den Reis zu kochen, aber natürlich war Rhiann trotzdem schneller, als dass die Mahlzeit bereits fertig war.
"Hast du gut geschlafen?", fragte sie über die Schulter und schaute zu ihr, als sie in die Küche kam (behaupte ich einfach mal^^). "Es dauert noch ein paar Minuten. Wenn du willst, kannst du schon nach drüben gehen und es dir bequem machen. Jetzt kann man durch die Fenster auch den Teich und den Garten besser sehen." Alternativ konnte Rhiann ihr natürlich auch zusehen; zu helfen gab es nicht viel, da Brianna ja mehr oder weniger nur auf den Reis aufpassen und die Gewürze hinzufügen musste. "Ah, und du kannst die hier schon mitnehmen." Sie schob die Schale mit den getrockneten Früchten zu ihr. Natürlich durfte sie sich auch schon bedienen, wenn sie wollte.

Unten war bereits das vertraute Knistern eines Feuers zu hören, als ich in die Küche zu Brianna kam. "Ja", antwortete ich und lächelte leicht, was ja sogar auch halbwegs stimmte, ich hatte immerhin deutlich besser geschlafen als so manch andere Nacht in letzter Zeit. Ich versuchte jedenfalls, die Gedanken, die mich ständig in die Vergangenheit zogen, absichtlich beiseite zu schieben, damit Brianna nichts zu bemerken hatte. Hoffte ich zumindest. Glücklicherweise war sie ja gerade in der Küche beschäftigt.
Ich trat etwas näher und warf einen Blick auf den Topf über dem Herd, blickte aber dann in Briannas Gesicht, als sie weitersprach. Wieder nickte ich leicht. Den Garten wollte ich mir schon gern ansehen, darauf war ich neugierig.
"Ist gut, oder brauchst du noch Hilfe bei etwas?", ging ich aber noch sicher, auch wenn es gerade nicht danach aussah. Stattdessen nahm ich die Schale entgegen, die sie mir reichte, und wenn sie tatsächlich keine Hilfe wollte, ging ich damit dann auch schonmal ins Wohnzimmer und platzierte sie auf dem Tisch, um den wir gestern gesessen hatten, ehe ich nach draußen in den Garten sah.

"Nein, hier ist alles so weit in Arbeit, es muss nur noch fertig werden", verkündete sie und lächelte Rhiann zu. Es würde noch ein paar Minuten dauern. Ein paar Minuten, die Rhiann dazu nutzen konnte, wieder hinüber in den Wohnbereich zu gehen. Das Tageslicht fiel hier durch die Fenster zum Garten herein, der nach Süd-Osten ausgerichtet war, mehr nach Osten als Süden, sodass eher morgens und mittags die Sonne hereinschien und es am Nachmittag nicht zu heiß wurde in den wärmsten Monaten.
Brianna mochte es, morgens im Licht der Sonne an dem Tisch zu sitzen, in den Garten, auf den Teich, zu schauen und dabei zu frühstücken oder auch nur einen Tee zu genießen. Leider tat sie dies viel zu selten, da sie so oft unterwegs war. Und selbst wenn sie sich gerade in Nevo aufhielt, begann ihr Tag oft früh.
Und endete spät...
Sie wusste noch nicht, wie viel Zeit ihr wirklich blieb, sich um Rhiann zu kümmern, denn sie hatte Pflichten und konnte die Tage nicht damit verbringen, sie an das Leben in Nevo zu gewöhnen. Auch, wenn Rhiann vermutlich nicht lange blieb. Nachdenklich rührte sie den Reis um und probierte hin und wieder, um zu testen, ob der Brei gut war. Dadurch konnte sie schließlich zwei Schüsseln füllen, Tee und Tassen, Besteck und dem Räucherfisch auf ein etwas größeres Tablett als am Abend zuvor laden und damit Rhiann in den Wohnbereich folgen.

Nachdem ich bei Briannas Antwort noch einmal genickt hatte, ging ich mit der Schale zurück ins Wohnzimmer und stellte sie auf dem Tischchen ab. Ich selbst trat ans Fenster heran, durch das man einen Blick in den Garten werfen konnte, von dem gestern Abend wegen der Dunkelheit nicht viel zu sehen gewesen war.
Jetzt allerdings gab es einiges zu sehen. Schon allein wie die Sonne in den Raum hinein fiel, war ein schöner Anblick, aber für mich war es natürlich vor allem der Garten dahinter, der meine Aufmerksamkeit anzog. Er war nochmal um einiges grüner, als ich es bisher gesehen hatte, auch wenn ich gestern ja hindurchgegangen war. Aber im hellen Morgenlicht wirkte es nochmal ganz anders. Außerdem war da der Teich, den ich gestern nicht so richtig hatte sehen können, jetzt aber schon. Es war keine heiße Quelle und natürlich auch kein kleiner Bach, und ich meinte zwischendurch sogar etwas Buntes unter der Wasseroberfläche sich bewegen sehen, allerdings spiegelte dafür das Sonnenlicht zu sehr, um Genaueres zu erkennen. Die Bäume waren teilweise nicht grün sondern rot und von einer Art, wie ich sie nicht kannte. Es war insgesamt ein sehr fremdartiger, üppiger, aber sehr schöner Anblick.
Ich stand tatsächlich immer noch beim Fenster, als ich Briannas Schritte hörte und mich zu ihr umdrehte. Sie hatte ein Tablett mit dem Frühstück dabei und ich setzte mich mit ihr an den kleinen Tisch. Der Geruch nach Essen weckte Hunger in mir.
"Es ist wirklich schön hier", sagte ich und begann einfach mal damit, dass ich mir eine von den getrockneten Früchten nahm, von der ich nicht wusste, was es war.

Sie entdeckte Rhiann bei dem großen Fenster gegenüber des Tisches stehen, sagte jedoch zunächst nichts und stellte nur das Tablett darauf ab und verteilte Schalen und Tassen.
"Freut mich, dass es dir gefällt", meinte sie dann mit einem Lächeln und goss den Tee ein. Anders als am Abend zuvor war er grün und verströmte einen frischen, etwas blumigen Geruch. Es war echter Tee von einer Teepflanze, der mit Wasser aufgegossen zu einer jadegrünen Flüssigkeit wurde. Dieser hier war mild und sollte die restliche Müdigkeit vertreiben.
"Es ist immer noch nichts im Vergleich zu den Wäldern auf Shushnar und Jualen, aber ich mag es auch. Es gibt meiner Manoah-Seele ein Zuhause." Sie gluckste leise und nippte zuerst an ihrer Tasse, bevor sie sich ihren Löffel griff und etwas im Reisbrei herumrührte. Er dampfte noch ordentlich und war sehr heiß, und er schmeckte ihr besser, wenn er etwas abgekühlt war. Nach einem Moment nahm sie einen Bissen von der Oberfläche und schob sich den Löffel in den Mund. Zufrieden seufzte sie. Nach dem Brot und den Bratkartoffeln im Dorf und dem nicht allzu üppigen Proviant war der frische Reis eine angenehme Abwechslung. Mit den Stäbchen, die sie mitgebracht hatte, teilte sie einen Moment später etwas von dem bereits offen daliegenden Fleisch des Räucherfischs ab und bediente sich auch daran. Er hatte einen etwas kräftigeren Geschmack, der jedoch für sie das Frühstück gut abrundete. Neben den getrockneten Früchten natürlich, die die süße Komponente lieferten.

Die Frucht schmechte sehr süß und sehr lecker und während ich kaute, hob ich den Blick zu Brianna und sah sie an. Wälder konnte ich mir schon gar nicht vorstellen, auch wenn ich wusste, dass es eine große Ansammlung von Bäumen war, aber so eine Menge, und dann noch in einer solchen Größe, war einfach zu fantastisch. Mein einer Mundwinkel zuckte nach oben bei Briannas letztem Kommentar, aber ich sagte nichts dazu sondern senkte den Blick auf das Essen. Auch ich griff zuerst nach meiner Teetasse, um den süßen Geschmack ein wenig herunterzuspülen - auch wenn ich Süßes sehr gerne mochte, deswegen hatte ich ja zuerst danach gegriffen -, ehe ich nach der Schüssel mit dem Reis griff. Auch von dem Fisch nahm ich mir etwas und begann langsam zu essen, während mein Blick erneut durch das Fenster nach draußen schweifte.
Ich konnte mir Ela sehr gut vorstellen, wie sie hier bei uns sitzen und Brianna begeistert über alles mögliche ausfragen würde, wie sie dem heutigen Ausflug zum Markt entgegenblicken würde. Ich hätte sicher mitgemacht, mich aber hauptsächlich an dem schönen Anblick erfreut. Das tat ich auch jetzt, aber... seit sie weg war, war es einfach nicht mehr das gleiche. Nichts war mehr wichtig. Und ich konnte nichts mehr so genießen wie früher, auch wenn ich es versuchte - mehr für andere als weil ich es wollte. Einfach alles hatte so einen leeren Beigeschmack.
"Hast du all die Pflanzen von anderen Inseln hergebracht, oder sind sie auch von hier?", fragte ich nach ein paar Augenblicken, um mich ein wenig abzulenken und hauptsächlich um dabei Brianna keine Gelegenheit zu geben, meinen Gedanken und Gefühlen allzu sehr auf die Pelle zu rücken. Ich wusste natürlich um so einige Pflanzen, die auf Kjubika heimisch waren, auch wenn sie nicht unbedingt alle in meiner Heimat auch vorkamen, doch ich kannte längst nicht alle, und erst recht nicht viele von fremden Inseln. Davon hauptsächlich gängige Nutzpflanzen. Doch ich konnte mir nicht vorstellen, dass alles das hier aus Kjubika kam.

Falls Brianna etwas von den aufkeimenden Gefühlen und daher der Richtung, in welche Rhianns Gedankenwelt kurz driftete, bemerkte, so ließ sie es sich gerade jedenfalls nicht anmerken und ging auch nicht darauf ein. Es gab Zeiten, in denen man über so etwas sprechen musste. Jetzt gerade wollte sie lieber zuversichtlich in den Tag starten und Rhiann damit ja vielleicht auch etwas anstecken. Sie neugierig machen.
Über den Garten zu sprechen, erfüllte sie stets mit Zufriedenheit, besonders, wenn sie ihn dabei auch noch ansehen konnte, so wie jetzt.
Sie kaute das Stück Fisch nachdenklich zu Ende. "Hmm, das meiste ist aus den grüneren Gegenden der Insel." Sie deutete nach links, wo ein gedrungener Nadelbaum stand, zusammen mit dem roten Ahorn, der seine Äste und Blätter über den kleinen Bachlauf und einen Teil des Teichs hängen ließ, um Schatten zu spenden. "Die Bäume zum Beispiel. Mit dem Wasser und meinem grünen Daumen würden hier bestimmt auch Bäume von Shushnar gedeihen, aber der Boden ist problematisch für ihre Bedürfnisse und sie bräuchten intensive Pflege." Mit der Hand deutete sie auf ein paar weitere Pflanzen, obwohl es wohl nicht so einfach war, auf die Entfernung genau auszumachen, welche sie alle meinte. "Ein paar von denen sind aber von Shushnar, sie sind robust und es sind nützliche Heil- und Küchenkräuter dabei, die haben wenig Ansprüche." Der Fingerzeig glitt am Teich entlang. "Das Schilf und der kleine Lotos wachsen hier im Wasser genauso gut wie auf Jualen, aber deshalb habe ich sie von hier. Und ein Windbusch von Lasaliel wächst in der einen Ecke im Garten, wo es am kühlsten ist und die Sonne nicht so hinknallt."
Langsam nickte, als sie recht sicher war, alles Wichtige erwähnt zu haben, und schob sich noch einen Löffel Reis in den Mund. "Nh, und die Goldfische sind ein Geschenk aus einem kleinen Dorf auf Jualen. Die musst du dir später unbedingt ansehen."