Der Lufttempel

Gasthäuser und Herbergen --->

Nun denn. Ryus Antwort war im Grunde genau so, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Beziehungsweise bestätigte sie mein Gefühl, dass er so ein nettes - und auch unbedarftes - Lebewesen war, weil sein Vater ein gütiger König war. Etwas anderes ginge in meinen Kopf wohl wirklich nicht gut hinein.
"Ah... Also ist es schon ähnlich wie hier, nur dass es einen König gibt, der am Ende entscheidet, und keinen ... hm, Rat oder einen Kreis aus Personen, die vom Volk bestimmt werden..." Ich nickte langsam, während ich das sagte, und strich mir nachdenklich am Hals entlang. Interessant. Was wohl Kjubika sagen würde, wenn man dort mal vorschlug, dass der Kaiser doch alle seine Untertanen anzuhören und möglichst nach den Wünschen des Volkes regieren sollte? Ich konnte mir ganz und gar nicht vorstellen, dass er begeistert wäre. Es hätte wohl eher schlimme Konsequenzen für diejenigen, die es ernsthaft vorschlugen. Oder vielleicht auch nur für die, die es durchzusetzen versuchen würden.
Das Tor rückte nun schnell näher, und bald kamen wir unter der Stadtmauer hindurch, die man passieren musste, um Anan zu verlassen. Die geflügelten Irada hatten es einfach, sie konnten drüberfliegen oder auf der Mauer spazieren gehen und dann irgendwann einfach in den Himmel starten. Fliegend war man außerdem so viel schneller... Ein wenig neidisch war ich schon manchmal, aber andererseits dann auch wieder ganz froh, wenn ich festen Boden unter den Füßen behielt. Ich war auch froh gewesen, als das Luftschiff endlich gelandet war, auch wenn es nicht so schlimm war wie auf dem Meer unterwegs zu sein.
"Oh, es wollen wohl wirklich einige zum Tempel", stellte ich fest, als mir auch auf der anderen Seite der Mauer auffiel, wie viele Leute unterwegs waren. Zwar etwas weniger als noch auf dieser Straße in der Stadt, aber wir waren auf keinen Fall die einzigen weit und breit.

"Ich denke schon, ja", stimmte ich Shin zu, auch wenn ich nicht so genau wusste, wie es wirklich hier auf Lasaliel war. Shin hatte es ja nur in wenigen Worten erklärt...aber insgesamt betrachtet fühlte es sich schon richtig an, anzunehmen, dass es hier ähnlich war mit der Regierung wie zuhause.
Wir durchschritten das offene Tor und durchquerten die Mauer, was einige Schritte benötigte. Ich fand es sehr beeindruckend wie dick diese Stadtmauer einfach war, aber bestimmt musste sie auch so breit und stabil sein, damit sie einen guten Schutz vor dem Wind bot, der uns dann auch direkt entgegen wehte, kaum das wir die andere Seite der Mauer erreicht hatten. Es war jedoch kein starker Wind und er war vor allem nicht so reißerisch wie auf dem Luftschiff. Er sorgte trotzdem dafür, dass meine Haare durch mein Gesicht wehten und das weite blaue Gewand, das ich trug, im Wind flatterte. Es war ein klein wenig hinderlich beim Gehen, aber nur in der ersten Zeit bis ich mich an diese neue Herausforderung gewöhnt hatte.
"Stimmt", sagte ich und ließ den Blick voraus gehen. Einige Menschen waren auf der Straße unterwegs, die sich zwischen mit kurzem Gras bewachsenen Hügeln und schroffen Felsen entlang schlängelte, bis sie hinter einem der Hügel verschwand und nicht mehr zu sehen war, wo sie hin führte. Den Lufttempel konnte man jedoch bereits sehen; auf einem größeren Hügel in der Ferne ragte er empor. Mir fiel die Wolkenformation auf, die sich oberhalb des Tempels befand. Wie ein Strudel schienen sie oberhalb des Tempels zu kreisen, als ob um den Tempel ein unsichtbarer Sog herrschen würde. Vielleicht war dem ja auch so?
Ich spürte ein sanftes Prickeln im Nacken während ich das Gebäude in der Ferne betrachtete. War das etwa die Kraft des Luftsteins? Da war so ein Prickeln in mir...und es hatte nichts mit der Aufregung zu tun, gleich einen der Steine sehen zu können.
"Oh...die Luftmagie ist sehr stark", sagte ich leise und ein wenig nachdenklich während meine Ohren zuckten wie bei einer Katze, die entfernte Geräusche wahrnahm, die für andere unhörbar blieben. Mit so einer starken Kraft hatte ich wirklich nicht gerechnet.

Ich verstummte wieder, weil das Thema mit der Monarchie, meinen Vorstellungen über Ryus Vater und dem Vergleich mit Lasaliels Regierungsform so mehr oder weniger abgeschlossen war. Doch meine Gedanken hingen trotzdem noch einen kurzen Moment daran.
Ich war den Lasaliel'schen Wind zwar nicht gewöhnt, doch ich kannte ihn schon, sodass er mich nicht sehr überraschte, als wir die Mauer hinter uns ließen und in ihrem Schatten weitergingen. Sie war hoch und dick, um die Stadt vor den schlimmen Stürmen und den widrigen Wetterverhältnissen zu schützen, die besonders im Herbst und Winter hier herrschen konnten. Für mich wäre ein Besuch zu diesen beiden Jahreszeiten absolut nichts. Nur, wenn ich wüsste, dass in der Zeit kein Sturm und vor allem weder Regen-, noch Schneefronten über die Insel rauschten. Gerade war der Wind nicht so stark, dass ich ihn komisch oder anders empfinden sollte als an windigen Tagen auf anderen Inseln. Trotzdem fand ich, dass er sich etwas anders anfühlte als woanders. So wie ich auch fand, dass Shushnars Natur und seine Wüste eine besondere Energie in sich barg und die Feuer auf Kjubika eine besonders intensive Wärme oder Hitze abstrahlten.
Nur beim Wasser waren meine Antennen wohl nicht besonders sensibel. Was möglicherweise daran lag, dass ich Wasser auf Jualen genauso blöd fand wie überall sonst auch.
Meine Ohren spitzten sich bei Ryus Worten in Richtung des Tempels, der in der Ferne schon zu sehen war, dann drehte sich das eine zu ihm.
Oder ... lag es auf Lasaliel auch ... daran? An der Nähe des Luftsteins zu Anan - dem Ort, an dem ich mich meistens hier aufhielt oder direkt in der Nähe zu der Mauer. Es war also... Weniger ein Prickeln für mich als einfach die Tatsache, dass ich fand, dass der Wind sich anders anfühlte.
"Spürst du sie?", fragte ich neugierig und schaute zu ihm.
War es die Nähe zum Stein? Hätte Ryu die Magie auch spüren können, wenn wir auf Jualen nah am Wasserstein gewesen wären? Und auf Shushnar nah am Erdstein?

"Ich...denke schon", beantwortete ich Shins Nachfrage langsam und mit nachdenklich gerunzelter Stirn. So ganz bestimmen konnte ich es gerade noch nicht, aber ich kannte dieses Gefühl in der Magengrube und das Prickeln im Nacken und verband es mit einigen Ereignissen, denen ich in Lajukishu beigewohnt hatte und die immer mit den Elementarkräften in Verbindung gehangen hatte. Diese Art von Magie, die gab es nur hier auf den Inseln und von daher konnte ich sie sehr gut von anderen magischen Auren unterscheiden, die ich vor meiner Zeit hier kennen gelernt hatte. Ich konnte sie hier und da auch spüren selbst wenn sie keinen Wind verursachte oder keine Bewegung im Wasser. Sie floss überall, in jedem Lebewesen und auch in jeder Pflanze. Und manchmal war sie auch im Boden zu spüren oder im Wind, so wie hier. Ich achtete nicht mehr wirklich darauf und es fiel mir auch nicht mehr so sehr auf wie damals, als ich nach Jualen gekommen war. Doch diese starke Ansammlung an Windmagie dort oben auf dem Hügel in dem Tempel, erinnerte mich wieder daran. Der Windstein musste unglaubliche Kräfte besitzen!
Ich musste ein wenig abwesend wirken während ich zu dem Tempel hinauf sah, der noch ein gutes Stück weit entfernt war, doch ich riss mich nun daraus hervor indem ich blinzelte und die Augen hinauf in Shins Gesicht richtete. "Ich bin wirklich gespannt, wie er aussieht!", sagte ich aufgeregt und mit einem Funkeln in den Augen. Etwas, das so eine starke Aura hatte musste einfach nur gewaltig sein! Ein bisschen ärgerte ich mich darüber das ich mich nicht vorab schon ein wenig schlauer über die Elementarsteine gemacht hatte, sodass ich etwas besser auf das vorbereitet war, das auf uns zukam. Jetzt musste ich mich wohl oder übel überraschen lassen!

Mein Blick blieb in den nächsten Sekunden auf Ryu gerichtet, der aber leider keine besonders aussagekräftige Antwort auf meine Frage gab. Ich bemerkte sein nachdenkliches Gesicht und wie er in Richtung des Tempels hinauf schaute, der auf dem Hügel schon gut zu sehen war. Mein eines Ohr blieb während des Weitergehens darauf gerichtet. Das andere war wie mein Blick aufmerksam bei dem jungen Wasserdrachen.
Ein wenig neugierig war ich schon.
Ich zeigte ein Lächeln, als er sich schließlich wieder aus seinen Gedanken oder seiner Konzentration herauszulösen schien, und nickte. Den Kopf wandte ich wieder nach vorn zum Weg. "Er ist sehr beeindruckend", sagte ich dazu. Zumindest in seiner unmittelbaren Nähe konnte auch ich die mir ansonsten fremde Magie des Windsteins stark spüren. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich fragte, welche Kräfte sich entfesseln würden, würde man ihn oder einen der anderen Steine zerstören. Oder was passieren würde, wenn jemand wirklich dazu in der Lage wäre, die Macht, die in dem Stein saß, für sich zu nutzen. Ob nun zu guten oder schlechten Zwecken... Unvorstellbar.
Und ich fragte mich auch nicht zum ersten Mal, ob die Irada gar keine Sorgen hatten, dass genauso jemand irgendwann mal auftauchen würde. Oder vielmehr jemand, der die Kräfte des Elementarsteins missbrauchen wollen könnte. Ihr Vertrauen in die Mitmenschen und -wesen war bewundernswert, aus Sicht eines Karon wie mir stellenweise aber auch ziemlich bedenklich.
Obwohl wir nicht schnell unterwegs waren und hin und wieder von anderen Leuten überholt wurden, kamen wir gut voran. Das Wetter hielt sich und es fühlte sich sogar so an, als würde es mit Anbruch des Tages merklich wärmer werden - was ich sehr begrüßte. Mein Feuer half mir zwar auch in der Kälte, aber es kostete auch Kraft und Energie, und überhaupt mochte ich warmes Wetter natürlich lieber. Der Wind sorgte außerdem auch nur dafür, dass man schneller auskühlte, weshalb ich froh darüber war, dass wir uns keinen Regentag ausgesucht hatten.

Ich nickte noch einmal zustimmend auf Shins Worte, sagte dann aber nichts mehr und richtete meine Saphiraugen stattdessen nach vorne und in Richtung des Windtempels, der auf dem Hügel thronte.
Auch wenn wir uns eher über den Luftstein an sich unterhalten hatten, wirkte der Tempel äußerlich bereits imposant, alleine aufgrund der Tatsache, dass er auf diesem Hügel stand. Ich war nicht so gut im schätzen, doch es mussten mindestens dreihundert Meter Luftlinie sein, wenn nicht sogar ein bisschen mehr., die sich das Bauwerk von Boden entfernt befand. Dadurch, dass der Hügel nicht sanft abfiel und teilweise zerklüftet war, gab es viele Treppen und Pfade, die sich abwechselnd um den Hügel herum hinauf zu dem Tempel schlängelten. Die konnten wir auch erst sehen als wir bereits ein gutes Stück weiter gegangen waren, in dem sich mir dann auch erst die Größe des Tempels offenbarte. Er hatte die Form eines Turms und unterschied sich durch seine pagodenartige Bauweise ein wenig von den teilweise eher schlichten und pragmatischen Bauwerken Anans. Wäre ich schon einmal auf Kjubika gewesen, hätte mich diese Bauweise wahrscheinlich eher an Nevo erinnert und dann hätte ich Shin wieder mit Fragen gelöchert. So aber betrachtete ich einfach nur staunend den Tempel, während wir weiter gingen, solange, bis ich dann doch einmal stolperte und mich dann wieder auf meine Füße konzentrierte.
Die Sonne war bereits ein gutes Stück aufgestiegen und hatte es auch geschafft, den Rand der fliegenden Insel zu erreichen als wir an einer Gabelung ankamen. Während die breite Straße weiter geradeaus verlief und zwischen den Hügeln und Felsen verschwand, zweigte eine kleinere Straße nach links ab. Dadurch, dass sie sich ebenfalls zwischen Felsen hindurch schlängelte, war nicht zu erkennen, wohin sie verlief, doch man konnte erahnen, dass es der Weg in Richtung Tempel war, da es nicht so schien, als gäbe es hier noch etwas anderes. Außerdem wies ein Schild den Pilgern den Weg, doch das sah ich erst, als wir schon abgebogen waren.
Shin und ich verließen die eher offene Landschaft und tauchten in ein Labyrinth aus weiteren Hügeln und Felsen ein, weswegen es wieder etwas kühler wurde, da wir nun wieder im Schatten gingen. Dafür traf uns aber auch nicht mehr der direkte Wind, der über Lasaliel fegte.
Windstill war es allerdings nicht; ein leichter, unsichtbarer Luftzug wanderte von dem Lufttempel hinab und zwischen den Felsen entlang und durch runde Öffnungen hindurch, die den Eindruck erweckten als wären sie im Laufe der Zeit von etwas dort hinein gearbeitet worden. Die Gesteinsformationen wirkten auch abgerundet und verliefen sanfter, so als wären sie glatt geschmirgelt worden. So etwas kannte ich tatsächlich nur von Flussbetten, in denen das Wasser seit Jahrhunderten hindurch floss. Je weiter wir in diese Felsformation hinein gingen, umso mehr hatte ich das Gefühl, in einem Labyrinth zu sein. Zum Glück gab es diese Straße, die uns den Weg wies...und glücklicherweise waren wir ja auch gar nicht alleine unterwegs. Ich hätte mich ganz sicher verlaufen wenn ich alleine versucht hätte, meinen Weg hier hindurch zu finden.
Obwohl der Tempel fast immer sichtbar war, da er sich über uns befand, war nicht wirklich einzuschätzen, wie lange wir noch brauchten, bis wir dort ankamen, da die Straße nun nicht mehr gerade verlief. Wie viel Zeit schließlich vergangen war, bis wir die erste der vielen Treppen erreichten, die schließlich den Hügel hinauf führen würde, konnte ich nicht sagen. Der Tempel lag nicht mehr in Sichtweite. "Ich glaube wir sind jetzt hinter dem Hügel, auf dem sich der Tempel befindet, oder?", fragte ich Shin, weil ich schon lange die Orientierung verloren hatte. Ich blieb stehen und sah die breite Treppe hinauf, die bereits nach einigen Metern ebenfalls hinter den glatten Felsen verschwand, aber sich auch noch weiter hinauf führte als ich gerade sah.

Da ich den Tempel schon kannte und auch schon nah dran gewesen war - was man nicht musste, um seine Bauweise zu erkennen -, wusste ich genau, dass er damit stark an die Palastgebäude und auch andere wichtigere Gebäude, entfernt manche wohlhabendere Wohnhäuser, erinnerte. Ich hatte mich auch schon mal gefragt, warum das so war und ob hier vielleicht irgendwann mal ein Kjubikanischer Architekt am Werk gewesen war. Aber ich hatte keine Antwort und gerade dachte ich auch nicht darüber nach. Man könnte sonst einen der Mönche fragen.
Wir gingen einige Zeit lang eher schweigend weiter, nur einmal fragte ich Ryu, ob er noch gut voran kam. Hier zwischen den Hügeln, wo der Wind nicht mehr so ging, fühlte es sich angenehmer an, obwohl es sicher kühler war, da die Sonne hier nicht so hinkam. Vor und hinter uns waren hin und wieder Leute zu sehen, die schneller oder eben langsamer waren als wir, doch die Pilgerströme hatten sich spätestens hier stark verlaufen, sodass man keine Sorge haben musste, mit einem ganzen Pulk an Menschen oben anzukommen.
Ich genoss die Bewegung außerhalb der Stadt, ganz ohne Gedränge und ohne das Durcheinanderreden, die vielen Gerüche und überhaupt, wieder außerhalb eines größeren Ortes unterwegs zu sein. Ich mochte Städte, aber ich hatte auch so viel Zeit außerhalb verbracht, dass ich es sehr zu schätzen wusste, dort Ruhe zu haben.
Die meiste Zeit über dräute der Tempel über unseren Köpfen, doch als wir ihn seit kurzer Weile nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, gelangten wir dann bei den ersten Stufen an. "Ja, müssten wir", bestätigte ich Ryus Frage und blieb erst einmal stehen. Meine Ohren spielten und ich schaute mich um, dann die Treppe hinauf. "Soweit ich weiß, gibt es nur diesen einen Weg hier, und der führt zum Tempel hoch." Hier unten sah es noch human aus, aber ich wusste, dass manche Abschnitte schon recht steil und die Treppen auch eng und unwegsam werden würden. Aber das sagte ich nicht, um Ryu nicht zu demotivieren. Er würde schon noch früh genug merken, was ihm blühte...
"Bereit?", fragte ich ihn und sah ihn wieder an. "Es sind einige Treppen, wir werden ein bisschen brauchen. Aber wir haben ja genug Zeit." Das war der einzige Hinweis, den er von mir bekam. Ich lächelte und spitzte die Ohren.

"Hm", machte ich als Shin bestätigte, dass das der Weg hinauf zum Tempel war. Auch wenn wir nicht so viel sehen konnten außer steile Felsen und die Treppe, die vor Jahrhunderten in den Fels gehauen wurde, damit Zweibeiner hinauf zum Tempel kamen, legte ich den Kopf noch einmal in den Nacken und sah hinauf. Mir taten vom vielen Laufen schon die Füße weh, weil ich es nicht gewohnt war, so lange und so viel auf einmal zu laufen, aber ich sagte das nicht, weil ich damit klar kommen wusste und Shin ja auch nichts daran ändern konnte. Ich würde ihn auf jeden Fall ganz sicher nicht fragen, ob er mich tragen konnte. Das wollte ich ihm sicher nicht antun und außerdem war ich ja kein kleiner Drache mehr, der durch die Gegend getragen werden musste. Nein, ich würde auch den Rest des Weges ganz alleine mit meinem beiden Füßen laufen!
Allerdings wusste ich auch noch nicht, dass der anstrengende Teil unserer kleinen Reise zum Lufttempel noch vor uns lag und ich dachte auch nicht daran, das wir den ganzen langen Weg ja wieder zurück mussten. Und das es noch wärmer werden würde und es kein bisschen Wasser in der Nähe gab und und und.
Und das ich mir nicht so viele Gedanken darüber machte, war auch ganz gut so, denn das bedeutete, dass meine Vorfreude auf den Luftstein ungetrübt war und ich mit frischer Motivation und auch ein wenig Stolz begann, meine Sandale, in denen meine Füße steckten, auf die erste der vielen Stufen zu stellen, die uns noch erwarteten und den Anstieg somit zu beginnen. "Ich schaff das schon, Shin!", rief ich gut gelaunt und lachte, bevor ich mich den Treppen zuwandte. Die waren für mich anfangs noch ein wenig fordernder als vielleicht für einen normalen Zweibeiner, aber auch das ging im Laufe der Zeit.
Ich hatte noch nie so viele Stufen genommen, das ich das in den Beinen merkte...und ich hatte auch noch nie einen Hügel oder Felsen mit den Menschenfüßen bestiegen, weswegen meine zu Beginn noch überschwängliche Freude nach einer guten halben Stunde, die wir dem Pfad folgten, der sich um den Hügel herum in die Höhe schraubte, stark abgenommen hatte. Ich brauchte öfter eine Pause und meine Füße schmerzten mittlerweile wirklich schon sehr, aber ich kniff die Kiemen zusammen und fokussierte mich auf den Weg, der leider auch immer steiler wurde. An einer Stelle brauchte ich dann doch Shins Hilfe, weil wir einen etwas engeren Spalt hindurch und hinauf steigen mussten und ich nicht die Kraft in den Beinen und Armen hatte, um mich hinauf zu ziehen. Ein anderes Mal wurden die Treppen durch Felsen ersetzt, die man zwar auch ohne größere Mühe hinauf klettern konnte, wenn man einigermaßen fit war, aber für einen Wasserdrachen, der seit langer Zeit zum ersten Mal länger in seiner Menschengestalt unterwegs war und allmählich austrocknete und Durst bekam, war es dann doch zu viel. Außerdem waren die Felsen durch die vielen Füße, die sich im laufe der Zeit hinauf zum Tempel begeben hatten, ganz glatt getreten, sodass es für mich schwer war, Halt zu finden.
Die Sonne stand mittlerweile ein gutes Stück weiter oben am Himmel als wir uns endlich in der letzten Kurve befanden, bevor wir am Lufttempel ankamen. Der Pfad war hier nun wieder eben, aber ich war so müde, dass ich trotzdem nur langsam vor mich her schlurfte...zumindest solange, bis hinter dem Felsen zu unserer Linken plötzlich der Lufttempel wieder auftauchte. Ich blieb stehen und sah mit offenem Mund den Turm hinauf, während uns ein sanfter Wind entgegen kam. Wir befanden uns nun fast auf einer Höhe mit ihm, wodurch nun erst einmal sichtbar wurde, wie hoch der Tempel tatsächlich war. Die Wolkenformation, die sich träge um den Tempel herum drehte, wirkte zusätzlich sehr imposant und ich fühlte mich mit einem Mal sehr sehr klein. "Woaaah!", machte ich nur und vergaß meine schmerzenden Füße. Bei der ganzen Anstrengung hatte ich gar nicht mehr so wirklich auf diese Spannung geachtete, die in der Luft lag und Teil der Luftmagie war, die ich wahrnehmen konnte. Jetzt schlug sie mir mit einem Mal wieder entgegen und sorgte dafür, dass ich gar nicht anders konnte, als erst einmal nur staunend dazustehen.

Ryus Wort in die Ohren der Kami... Aber mein Lächeln blieb einfach ungebrochen und ich blieb noch einen kurzen Augenblick lang stehen, um ihm dabei zuzusehen, wie er die ersten Stufen nahm.
Körperlich wirklich anstrengende Dinge hatte ich nun schon seit einer Weile selbst nicht mehr wirklich getan, auch schon bevor ich wieder auf Ryu gestoßen war nicht. Das Anstrengendste, was ich mit ihm machte, war das Herumlaufen - und manchmal auch das Stehen oder das lahme Schneckentempo zu ertragen, wenn man sich durch Menschenmengen bewegen musste. Deshalb war meine Kondition zwar nicht komplett hinüber, aber Ryu war nicht der einzige von uns beiden, für den der Treppenaufstieg kein Spaziergang mehr war. Für mich waren weniger die Beine das Problem, sondern einfach meine Kondition. Und ... nun ja, es sollte nicht so klingen, als sei es super schwierig und als müsste ich die Stufen hochhecheln - sagen wir, dass ich ziemlich froh war, dass Ryu bald langsamer wurde. Sein Tempo war es, dass die Sache wieder gut schaffbar für mich machte.
Ich beklagte mich nicht, und Ryu biss die Zähne zusammen, was ich sehr wohl merkte. Erst irgendwann eine Weile später wurde es kritisch, weil seine Beine nicht mehr so richtig wollten und ich den Eindruck bekam, dass die Schuppenhaut an seinen Ohren etwas schrumpelig wurde. Wir machten eine kleine Pause, nachdem wir durch den Felsspalt hindurch waren, und ich gab ihm die Wasserflasche. Soweit ich wusste, gab es oben auch Wasser für die Pilger, vielleicht konnten wir dort unsere Vorräte für den Abstieg auffüllen.
Je näher wir der Spitze kamen, desto deutlicher konnte nun auch ich die Energie um uns in der Luft spüren. Die Bewegung weniger, denn der Wolkenwirbel befand sich noch über uns, aber eine gewisse Spannung lag in der Luft und ich meinte dann und wann, es zu spüren wie eine Strömung. Fremde Magie, aber doch spürbare Energie. Es beeindruckte mich, so wie vorher auch, wenn ich den Tempel besucht hatte. Erst, wenn man dem Luftstein nahe kam, ich jedenfalls, wurde einem wieder so richtig bewusst, wie viel Kraft und Macht dieses Ding haben musste. Wie mächtig alle vier Elementarsteine sein mussten... Man kam sich klein und unbedeutend vor und gleichzeitig auch irgendwie inspiriert und gestärkt.
Das Kleinsein überwog dann, als wir um einen Felsen herum kamen und nun auch der Tempel wieder zu sehen war. Er war nun sehr nahe und ragte vor uns in den Himmel hinauf. "Ja...", sagte ich leise und ließ den Blick daran emporwandern, als Ryu nur diesen beeindruckten Laut dafür übrig hatte. "Ziemlich beeindruckend, oder?" Ich blieb neben ihm stehen und ließ den Anblick und dieses Gefühl auf mich wirken.

Ich nickte langsam und deutlich und noch immer mit offen stehendem Mund, während meine Saphiraugen sich nicht satt sehen konnten. Es war ein wirklich überwältigender Anblick, zusammen mit all dieser Magie in der Luft...und auch wenn ich gerade nicht versuchte, es mit irgendetwas zu vergleichen, das ich bisher hier in Lajukishu erlebt hatte oder aktiv darüber nachdachte, so war der Anblick des Lufttempels der bisher eindrucksvollste Moment für mich.
Deswegen brauchte ich auch noch einen Moment, bis ich mich wieder fing. Tatsächlich war es das leise Plätschern des Wassers, das meine Ohren zucken und mich blinzeln ließ. Meine Augen richteten sich in Richtung Tor des Tempels, das sich uns gegenüber befand und weit offen stand. Der Platz vor dem Tempel war mit flachen Steinen gepflastert und tatsächlich standen auch einige Pilger in Grüppchen dort, unterhielten sich oder waren auch alleine unterwegs und ließen den Anblick des Tempels oder vielleicht auch die Präsenz des Luftsteins auf sich wirken. Mittig auf dem Platz, also zwischen Shin und mir und dem Eingang zum Tempel stand eine große steinerne Schale...und aus der tranken gerade zwei Reisende und verursachten das leise Geplätscher, da sie das Wasser in ihre hohlen Hände schöpften und etliche Tropfen davon zurück in die Steinschale zurück fielen.
Ich erklärte Shin gar nicht, was ich vor hatte, aber wahrscheinlich konnte er es sich auch schon denken als ich mich in Bewegung setzte und schnurstracks in Richtung des Steinbeckens lief, weil mein Durst mit einem Mal noch viel stärker wurde als er es bisher schon war. Dort angekommen legte ich die Hände an den kühlen Beckenrand, beugte mich vor und trank das Wasser in schnellen Schlucken, wobei ich mich wirklich gerade noch daran hindern konnte, einfach ins Wasser zu springen. Das war gegenüber der anderen reisenden ja schon unhöflich, vor allem wenn sie auch etwas von dem Wasser haben wollten.

Ich hatte schon viel gesehen. Auch viele große Dinge wie dieses Gebäude hier, Drachen – größere und gefährlichere als Ryu, sorry, Ryu -, riesige ausladende Bäume, alte Ruinen in der Wüste. Aber auch für mich gehörte der Lufttempel immer noch zu einem der Dinge, die am meisten dieses Gefühl verursachten. Vielleicht, weil man ihn erst von weiter weg sah, dann ewig diese Treppen hochkraxelte und der dann am Schluss erhaben und umgeben von dieser Magie so vor einem aufragte. Aber sicher auch, weil er architektonisch sehr hübsch und eine Meisterleistung war.
Ich konnte ihn betrachten und mich darüber freuen, während mein Atem sich beruhigte und ich zufrieden war, dass wir es hierher bis ganz nach oben geschafft hatten. Auf das Geplätscher reagierten erst mal nur meine Ohren und ich bekam am Rand mit, dass Ryu schon losstürmte, um etwas zu trinken. Ich selbst folgte ihm nur verzögert und als er schon eine ganze Reihe Schlucke von dem sauberen Wasser in dem Becken zu sich genommen hatte. Die beiden Pilger, die vor uns dort angekommen waren, hatten ihn nur kurz beachtet, ehe sie vom Anblick des Tempels fasziniert zu ihm hochschauend weiter auf ihn zugingen und sich dabei leise unterhielten.
Auch ich war nun ganz froh über die Gelegenheit, etwas zu trinken, doch zunächst tauchte ich nur die Hände in das kühle Wasser und wusch mir damit das Gesicht, das ich dafür vom Becken zurückzog, um nicht irgendwelches Zeug von meiner Haut im sauberen Becken zu verteilen. Erst anschließend schöpfte ich erneut etwas in meine Hände, von dem ich trank.
„Willst du erst einmal außen rumgehen oder wollen wir direkt rein?“, fragte ich meinen Begleiter, als wir beide soweit fertig waren.

Wahrscheinlich hätten die beiden Reisenden sich gewundert, wie viel Wasser auf einmal in so einen kleinen menschenähnlichen Körper hinein passen konnte, doch da sie mich nicht weiter beobachteten, wurde ich vor seltsamen Blicken verschont und konnte in aller Ruhe meinen Durst stillen. Als ich dann soweit fertig war, wusch auch ich mir das Gesicht und richtete mich wieder auf, mit einem zufriedenen Lächeln und einem tiefen Seufzen. Das hatte gut getan! Ich würde zwar wirklich immer noch gerne in das Wasser springen, fand das aber nach wie vor unhöflich wenn auch andere etwas von dem Wasser haben wollten. Das viele Wasser, das ich daneben tropfen würde, würde dann ja nur Verschwendet sein und es sah so aus, als wäre dieses Becken hier auch die einzige Wasserquelle hier oben.
Shin war in der Zwischenzeit auch an das Becken gekommen und stand mit nassem Gesicht neben mir. Bestimmt war er auch froh, endlich etwas trinken zu können. "Hm...", machte ich auf seine Frage und sah mich nachdenklich um. Eigentlich war ich ja schon eher gespannt darauf, wie der Luftstein aussah, aber der Platz sah auch interessant aus, auch wenn es nicht ganz sooo viele Dinge um den Tempel herum zu geben schien. Sich hier umsehen würde wahrscheinlich gar nicht so lange dauern. "Wir können uns auch erst einmal hier draußen umschauen", sagte ich schließlich und als ich mich endlich entschieden hatte und lächelte Shin an. Mein Blick fiel dann jedoch noch einmal auf das Steinbecken, in dem sich das Wasser nun allmählich wieder beruhigte...das hieß, es schlug ganz sachte Wellen, als würde der Wind, der oberhalb des Tempels kreiste und hinab auf die Erde 'fiel' über das Wasser streichen und diese Wellen auf der Wasseroberfläche verursachen. Das sieht aber schön aus! Vielleicht hatte das Steinbecken nicht nur den Grund, den Reisenden Wasser zu spenden, sondern auch zu zeigen, wie gut Wind und Wasser harmonierten?
Ich wandte mich zu Shin um und wartete darauf, das er sich in Bewegung setzte, damit ich neben ihm her gehen konnte. Auf dem gepflasterten Platz gab es ja nun genug Platz das ich das ohne Mühe tun konnte und so viele andere Pilger waren hier auch gar nicht.
Wir waren auch nur ein kurzes Stück gegangen, bis mir einige Statuen auffielen, die auf dem Platz standen. Es handelte sich um menschliche Statuen, die dem Windtempel den Rücken zugedreht hatten und in die Ferne zu blicken schienen. Die Statue, der wir uns gerade näherten, stellte eine hoch gewachsene Frau mit langen Haaren und feinen Gesichtszügen dar. Sie hatte ihre rechte Hand gehoben in derer sich eine faustgroße Kugel aus reinweißem Stein befand, der im Licht des Tages zu schimmern schien. Als mein Blick weiter ging, entdeckte ich eine weitere Statue, diesmal die eines Mannes, der sich ebenfalls in einer ähnlichen stehenden Position befand und, wie die Frauenstatue, eine weiße Steinkugel in der Hand hielt. Was das wohl für ein Gestein war?

Ich wollte Ryukyu natürlich nicht auf die Folter spannen und ihn absichtlich davon abhalten, in den Tempel reinzugehen. Tatsächlich dachte ich überhaupt nicht darüber nach; dadurch, dass ich schon mal hier gewesen war, wusste ich, was drinnen wartete, und war dann doch nicht ganz so hibbelig, gleich auf dem kürzesten Weg drinnen zu verschwinden. Aber er stimmte mir ja auch zu und sagte nichts darüber. Es war also in Ordnung.
Nach dem Durststillen ging es wohl uns beiden wieder so weit gut genug, dass wir bereit für den nächsten Teil des Ausflugs waren. Ich setzte mich langsam mit Ryu in Bewegung und ließ den Blick dabei noch einmal zur Tempelspitze oder vielmehr an der Fassade des Gebäudes hinaufwandern, bis ich den Kopf in den Nacken legen musste. Dann schweifte mein Augenmerk weiter und streifte die Statuen, auf die wir uns zubewegten. Mir hatte irgendwann mal einer von den Mönchen gesagt, was es damit auf sich hatte, aber ich erinnerte mich nicht mehr so richtig daran. Könnte damit zusammenhängen, dass es gewesen war, als ich mit einer Irada hierher gekommen war. Sie hatte mich … ein wenig abgelenkt.
„Weißt du, was das für Steine sind?“, fragte ich also Ryu, da auch mein Blick an der einen Kugel bei der Statue des Mannes hing, und er sich ja mit Steinen auskannte. „Ohne sie abzulecken“, fügte ich sicherheitshalber hinzu und schmunzelte leicht. Er wusste hoffentlich mittlerweile, dass es sehr respektlos rüberkäme, wenn er Steine ableckte, vor allem an einem Ort wie diesem.

Ich wandte mich Shin halb zu als er mich fragte, ob ich wusste, was das für Steine sind und legte die Ohren kurz an, als er das mit dem Ablecken auch noch hinzufügte. "Nein, das mach ich nicht", sagte ich kleinlaut, lächelte aber leicht dabei. Ich hatte ja schon auf dem Markt in Anrin gemerkt, dass es komisch für die Leute war wenn ich einfach Steine in den Mund nahm oder sie ableckte. Das wollte ich hier auf dem Platz, der sehr überschaubar war, ganz bestimmt nicht noch einmal wiederholen.
"Ich weiß aber leider nicht, was das ist." ich trat noch ein wenig näher an die lebensgroße Statue und stellte mich auf Zehenspitzen, um den Stein besser beobachten zu können. Es erinnerte mich ein wenig an Perlmutt, aber vom Geruch her war es eindeutig ein Stein. "Weißt du, was das für Statuen sind?", fragte ich Shin jetzt und besah mir auch die andere Statue, die sich in der Nähe befand, "oh, sie haben beide etwas ähnliches an, oder?" Die Statuen trugen so etwas wie eine Toga, die auf Brusthöhe eine Art Symbol hatte. Vielleicht war es auch eine Brosche oder so etwas?
Tatsächlich war es die traditionelle Kleidung der Mönche, die direkt im Lufttempel lebten und dienten: weicher Baumwollstoff, meist Beigefarben und mit einem blassgelben Tuch, das oft über der Schulter lag und von dem ein oder anderen als eine Art Schal genutzt wurde. Das Symbol auf Brusthöhe stellte tatsächlich eine Brosche dar, die das farbige Tuch an der Person hielt. Ich konnte es deswegen so genau beschreiben weil in dem Moment, als ich Shin gefragt hatte, ein Mönch zu uns trat. "Das sind Statuen der ersten Mönche, die dem Luftstein gedient haben", beantwortete er die Frage und ich zuckte erschrocken zusammen, weil ich ihn nicht bemerkt hatte. Ich wandte mich dem Mann zu und betrachtete die Kleidung. "Oh", machte ich, als mir die Gemeinsamkeit auffiel, lächelte dann aber, "danke, das...wusste ich wirklich nicht."
"Keine Ursache, dafür bin ich ja da." Der Mann lachte und strich sich über den langen braunen Spitzbart, während der Blick seiner braunen Augen abwechselnd von mir zu Shin ging. Für einen Menschen sah er schon recht alt aus, aber noch nicht alt genug das die Haare des Barts oder das Schulterlange Haar auf seinem Kopf bereits grau waren, weswegen ich ihn auf fünfzig oder sechzig Jahre schätzte. "Das hier ist Shasha" fuhr der Mönch fort und sein Augenmerk glitt in das Gesicht der Frauenstatue, "sie war eine sehr talentierte Frau, die ihre Windkunst perfektioniert hatte. Sie war berühmt dafür, ohne Waffen und nur mit dem Wind an ihrer Seite zu kämpfen wenn sie in die Schlacht ziehen musste. Wobei kämpfen vielleicht das falsche Wort ist. Sie hat ihre Fähigkeiten stets nur zur Verteidigung verwendet."

Ich kannte mich mit Steinen leider nicht so wirklich aus, weshalb ich gehofft hatte, das Ryu die Antwort kannte. Diese Edelsteine – oder Halbedelsteine? Kristalle? – hatten so ein leichtes Schimmern, wie ich es von Muscheln kannte, aber Perlmutt war es sicher nicht. Dann … hätten sie ja ausgesehen wie die Riesenperle, die Ryu mal angeschleppt hatte, und das taten sie eindeutig nicht. Meine Ohren spitzten sich wieder und ich trat ebenfalls etwas näher, als er es tat, um die Statuen einer genaueren Inspektion zu unterziehen.
„Bin mir nicht mehr so sicher“, gab ich bei seiner Frage zu, nachdem er mir verkündet hatte, dass auch er nicht wusste, um was für Steine es sich handelte. „Aber sie tragen…“
Ich verstummte und wandte mich um, da nicht nur ich, sondern auch ein Mann Ryus Frage gehört hatte und sie nun beantwortete. Genau, sie trugen Mönchsgewänder. Mein Blick hing einen Moment lang an der Kleidung des Mannes und an seinem Bart, während er fortfuhr und näher zu uns kam, dann schaute ich wieder an den beiden Statuen empor. Ach ja, genau… Diese beiden hier hatten den Luftstein damals als erste behütet. Wir standen noch bei der Statue der Frau, weshalb der Mönch uns anschließend etwas über sie erzählte. Shasha. Genau, das war ihr Name gewesen. Jetzt, wo er darüber redete, fiel es mir auch wieder ein.
„Wir haben uns gefragt, dass das für Steine sind, die die Statuen halten“, meinte ich, als der Mönch verstummt war, und neigte nun auch noch einmal den Kopf etwas vor ihm, um eine respektvolle Begrüßung etwas verspätet noch nachzuholen. „Und … welchem Zweck haben sie gedient?“

Der alte Mönch schien eindeutig in Erzähllaune zu sein, denn er freute sich ganz offensichtlich, dass Shin eine Gegenfrage stellte. Ein breites Lächeln erschien auf seinen Lippen und er nickte sacht, den Blick dabei erneut hinauf zu der Statue gehend, wobei sein Augenmerk diesmal an der perlmuttfarbenen Kugel hängen blieb und sein Gesichtsausdruck nachdenklich wurde. Ich blickte den Mönch aufmerksam an und wartete auf seine Antwort.
"Hmm, das ist eine gute Frage", sagte er und strich sich über den Bart, sodass die kleinen Kugeln, die darin eingeflochten waren, aneinander gerieten und ein leises Geräusch von sich gaben, "es heißt, dass diese Kugeln Geschenke jener Wesen waren, die unsere menschlichen Vorfahren nach Lasaliel begleitet haben. In unseren Überlieferungen werden sie als Perlen bezeichnet und so beschrieben, wie ihr sie hier seht. Diese Kugeln hier sind freilich nur Repliken." Er lachte leise und wandte sich wieder Shin und mir zu: "sie sollen ihren Besitzern angeblich zusätzliche Kräfte verliehen haben, aber um welche Art von Kraft es sich gehandelt hat, vermag ich nicht zu sagen. Auch darüber gibt es viele Geschichten, wie das nun einmal so ist." Ich nickte langsam und betrachtete die große Kugel in der Hand der Statue noch einmal. Also waren diese Kugeln hier einfach nur gewöhnliche Nachbildungen...aber ich hatte auch noch nie etwas von Perlen gehört. Mein Vater hätte sicher etwas mehr damit anfangen können, er wusste ja so viel. "Und die alten Mönche hatten alle so eine Kugel?"
"Genau. Die ersten Wächter des Luftsteins wurden mit einer solchen Kugel betraut", beantwortete der Mönch meine Frage. Es klang ein bisschen so als wären diese Kugeln dann als eine Art Abzeichen verwendet worden.

Auch mein Blick wanderte von dem Mönch wieder zurück zu der Statue der Frau oder vielmehr der Kugel aus irgendeinem Stein, die sie in den Händen hielt. Mein eines Ohr blieb zu ihm gedreht, das andere war aufmerksam gespitzt.
„Oh…“, ja, freilich waren es Repliken. Nun ja, auch wenn es nicht direkt veränderte, dass ich gerne gewusst hätte, was für ein Stein als Replik diente. Er sah hübsch aus, seine Oberfläche reflektierte im Tageslicht. Mondstein vielleicht? Wobei so ein großer Mondstein schon ziemlich wertvoll wäre und es riskant wäre, ihn so zur Schau zu stellen. Na ja, vielleicht dachte auch nur ich so und die Irada waren so stolz und ehrfürchtig mit ihrem Luftstein und dem Tempel, dass hier von sich aus niemand klaute.
Ryu stellte noch eine zusätzliche Frage zu den Ausführungen des Mönchs. An die Sache mit den Perlen erinnerte ich mich nicht, aber wegen der erweiterten Fähigkeiten klingelte etwas. „Warum hat heute keiner mehr so eine Kugel? Und … wisst Ihr, ob es bei den anderen Völkern genauso war? Gab es da auch Hüter, die solche Perlen erhalten haben?“
Oh Mann, ich fühlte mich gerade ein wenig unwissend. Ob der Mönch so etwas wusste? Seine Ausführungen waren schon recht vage, aber vielleicht war in den Überlieferungen ja auch was zu den anderen Inseln enthalten? Wobei jedes Elementarvolk seine eigenen Geheimnisse hatte und die übrigen sie vermutlich auch besser hüteten als Lasaliel.

Die Falten um die Augen des Mönchs vertieften sich als Shin weitere Fragen stellte. Offenbar freute er sich darüber, zwei so wissbegierige Besucher getroffen zu haben, denn sein Lächeln wurde voller und sein wacher Blick ging erneut zurück zu Shin und mir. "Ohoho...ihr scheint mir Kandidaten für die Bibliothek zu sein, mit den vielen Fragen. Lasst mal sehen, was mein Oberstübchen noch so weiß..." Seine Hand fuhr erneut durch den langen Bart, während er einen Moment lang schweigend nachdachte, "soweit ich weiß, war es niemandem möglich, diese Perlen herzustellen und deswegen ist es heute nicht mehr üblich, diese bei sich zu tragen. Vielleicht ist es auch besser so, denn dann kann man sich auch nicht darüber streiten, wer eine dieser Perlen verdient und wer nicht. Von den Perlen, die es früher gab, weiß ich auch nur von einer einzigen, wo diese sich befindet. Alle anderen scheinen im Laufe der Zeit verloren gegangen zu sein..." Der Mönch seufzte leise und wirkte kurz etwas abwesend, während meine Augen und Ohren weiterhin sehr aufmerksam auf ihn gerichtet waren. Solche Erzählungen fand ich immer sehr spannend und deswegen wagte ich gar nicht, ihn mit einer weiteren Frage zu unterbrechen. Ich hielt es dann aber vor Neugier doch nicht aus. "Und wo ist diese Perle?", fragte ich...und erntete ein weiteres Lachen. "Hohoho...das, mein Freund, ist ein gut behütetes Geheimnis und wird nicht verraten." Er zwinkerte mir zu und ich lächelte, auch wenn ich ein kleines bisschen enttäuscht war, denn neugierig war ich ja trotzdem noch. Ich konnte aber auch verstehen, wenn er es nicht erzählen durfte, konnte oder wollte.
"Wie dem auch sei...ob es solche Perlen auch bei den anderen drei Völkern gab...das weiß ich leider nicht." Damit wandte er sich zurück an Shin, "ich bin mir jedoch sicher, dass die großen Drachen die Irada nicht bevorzugt behandelt haben. Ganz sicher haben auch sie Geschenke von ihnen bekommen." Meine blauen Ohren zuckten und ich runzelte die Stirn leicht. Die...Drachen...

Der Mönch erwähnte die Bibliothek. Ich war schon einmal dort gewesen und erinnerte mich noch gut an die riesigen Bücherregale, die sich über mehrere Stockwerke in die Höhe erstreckten. In dem Fall war es wirklich nicht besonders unpraktisch, fliegen zu können und Flügel zu haben. Ansonsten musste man eben über die Treppen die Stockwerke wechseln und auf lange Leitern klettern…
Mein Lächeln hielt sich ungebrochen und ich hatte die Augen freundlich ein wenig verengt und die Ohren gespitzt, während der Mönch nun nachdenken musste, was er uns dazu sagen konnte.
Recht hatte er wohl. Es gab weniger Streit, wenn keine Perlen mehr im Umlauf waren. Aufmerksam und offener wurden meine Augen wieder, als er sagte, dass er von nur einer Perle wisse, wo sie sich befand, uns aber nicht preisgeben wollte, wo sie war. Ich hätte diese Frage wohl auch noch gestellt, doch Ryu kam mir zuvor und der Mann sagte gleich, dass es ein Geheimnis war. Verständlich… Sein Wissen sollte wohl besser nicht in falsche Hände geraten, da es sicher genug Leute gab, die mit dieser Perle nicht gerade Gutes anstellen würden. So richtig ausnehmen tat ich mich dabei nicht, obwohl ich vermutete, dass ich damit eh nichts anfangen könnte, da ich keine Windmagie besaß. Oder waren die Perlen vom Element her neutral?
Letztlich beantwortete er mir meine Frage, indem er sagte, dass er es nicht wusste. Schade. Aber… Es war auch gleich darauf nicht mehr so wichtig, da er ein Detail einstreute, das er uns bisher vorenthalten hatte. Überrascht schaute ich ihn an. „Die Wesen, die den Irada die Perlen gegeben haben, waren Drachen?“ Mein Blick glitt von ihm zu Ryu. Ob er … vielleicht irgendwo in seinem Köpfchen etwas darüber wusste oder von seiner Familie gehört hatte?

Ich bemerkte Shins Blick, sagte aber nichts, weil ich selbst nicht sicher war, worum es hier gerade ging. "Das sagt man zumindest", erwiderte der Mönch, dem schon längst aufgefallen war, das er es mit zwei Fantasiegeschöpfen zu tun hatte von dem einer bläuliche Schuppen besaß. Sein Blick streifte meine Ohren und das geweihartige Horn, bevor er zurück in Richtung der Kitsune ging, "wir sprechen hier von Lajukishus Ursprungsgeschichte...das ist selbstverständlich schon sehr lange her, aber man hat damals einige alte Schriften im Inneren der Insel gefunden, die darauf hinweisen, das die Perlen direkte Geschenke der Wesen waren, die unsere Vorfahren zu den Inseln begleitet haben."
Ich neigte den Kopf leicht. Hm...
Wahrscheinlich bemerkte der Mönch das Rauchen unserer oder zumindest meines Kopfes, denn er lachte leise auf, "ohoho...wenn ihr euch so sehr dafür interessiert, solltet ihr der Bibliothek wirklich einmal einen Besuch abstatten. Vielleicht findet ihr dort ja Antworten...selbstverständlich nachdem ihr euch den imposanten Luftstein angeschaut habt." Er zwinkerte und strafte seine Haltung etwas. Es wirkte so, als wolle er sich verabschieden, doch noch tat er das nicht, denn immerhin wollte er uns auch nicht einfach so stehen lassen. Scheinbar gab es aber auch nichts, was er uns noch über diese mysteriöse Geschichte erzählen konnte.

Hm. Ich hätte wahrscheinlich im Geschichtsunterricht interessierter zuhören sollen. Wobei ich mir gerade ziemlich sicher war, dass weder in meinem Dorf auf Shushnar, noch auf Kjubika in der Schule jemals so etwas wie Perlen von Drachen behandelt worden war, die den Irada geschenkt wurden. Aber nun, wenn der Mönch uns nun schon zum zweiten Mal die Bibliothek ans Herz legte, dann schien auch er nicht so super viel darüber zu wissen. Jedenfalls hatte ich nicht den Eindruck, dass er nur vorgab, nichts Genaues zu wissen, um uns abzuwimmeln und uns die Antworten selbst erarbeiten zu lassen.
Ob ich wirklich Lust hatte, in der Bibliothek nach Antworten zu suchen, wusste ich noch nicht. Wozu? Ich war ja nicht auf der Suche nach so einer Perle oder wollte die Geschichte Lasaliels aufarbeiten. „Ja, das wäre ja vielleicht eine Option“, erwiderte ich unverbindlich mit gespitzten Ohren und einem leichten Lächeln, bei dem ich die Augen freundlich verengte. „Aber den Luftstein lassen wir uns natürlich erst mal nicht entgehen.“
Da er so wirkte, als wollte der Mönch sich nun wieder auf den Weg machen, um zu tun, was immer die Mönche hier so den ganzen Tag taten, verbeugte ich mich höflich vor ihm. „Vielen Dank für Eure Auskünfte“, verabschiedete ich mich und wartete ab, ob er Ryu und mich nun wieder uns selbst überließ.

Mir fiel auf das der Mönch schon wieder diese Bibliothek erwähnte. Gab es in Anan etwa eine große Bibliothek mit vielen Büchern und gesammeltem Wissen? Ich musste gestehen, dass ich gerade auch nicht so wirklich Lust hatte, in alten Büchern zu stöbern, aber interessant fand ich trotzdem, was er uns so erzählt hatte...und in meinem Kopf klingelte da auch etwas. Als ich noch im Palast meines Vaters gelebt hatte, hatte es für mich auch immer Geschichtsunterricht gegeben und tatsächlich gab es auch eine Dinge, die mir im Kopf hängen geblieben sind. Und es hatte auch einen Grund gegeben, wieso ich gerade nach Lajukishu aufgebrochen war und nicht in irgendeinen anderen Teil der Welt.
Aber ob das alles mit den Erzählungen des Mönchs zusammen hing?
Nun, jedenfalls tat ich es Shin gleich und verbeugte mich höflich von ihm als es darum ging, sich von dem alten Mönch zu verabschieden. Wobei, so alt sah er auch noch gar nicht aus. "Ja, vielen Dank für diese interessanten Informationen", sagte ich und lächelte.
"Keine Ursache", erwiderte der Mönch mit einem warmen Lächeln, "ich wünsche euch noch einen schönen Aufenthalt hier am Tempel...und wenn ihr weitere Fragen habt, scheut euch nicht, einen von uns alten Mönchen anzusprechen. Wir sind kleine Plappermäuler und teilen gerne unser Wissen." Und mit diesen Worten zwinkerte er uns noch einmal zu und wandte sich von uns ab, um sich schließlich langsamen Schrittes zu entfernen. Ich sah ihm noch einen Moment lang nachdenklich hinterher, bevor ich mich Shin zuwandte. "Das klang alles ganz schön interessant", teilte ich ihm dann meine Meinung mit und lächelte. Es gab wirklich noch sehr viel zu lernen. Ich hatte das Gefühl, gar nicht so viel in Erfahrung gebracht zu haben seit ich auf den Inseln der Elemente unterwegs war. Hm, das fühlte sich etwas frustrierend an.

Mein Lächeln hielt sich und ich lauschte aufmerksam den Abschiedsworten des Mönches, wobei ich etwas nach vorn gebeugt verharrte und meine Verneigung auch noch einmal vertiefte, als er geendet hatte. Dafür, dass wir die Mönche mit Fragen löchern sollten, hatte er auf die spannendsten Fragen leider erstaunlich wenig Antworten gehabt...
"Vielen Dank", tat ich noch einmal meine Wertschätzung preis und richtete mich dann im Anschluss wieder richtig auf. Ich sah ihm einen Moment lang nach, wie er von dannen zog um geschäftig seinen... Nun ja, was immer die Mönche hier den lieben langen Tag machten. Meditieren, vermutlich. Vielleicht irgendwelche Schriften lesen? Sich um den Tempel kümmern, sowas eben.
"Hm... Ja, schon", gab ich zu, als Ryu meinte, dass es ziemlich interessant gewesen sei, was wir nun in Erfahrung gebracht hatten. Mein Blick wanderte von dem kleiner werdenden Mönch noch einmal der Statue der Frau neben uns und hing einen Moment lang an dem ... Perlenreplikat. "Was meinst du, Ryu... Ist das so eine Muschelperle gewesen, die die Drachen mit Magie versetzt haben?", fragte ich dann etwas leiser und sah nur verzögert zu ihm.
Ob dieses Wissen auch schon bei Leuten wie Takari angekommen war? Sicher, oder? Brianna wusste ganz bestimmt auch davon. Sie konnte vermutlich die ganze Bibliothek auswendig. Ich wusste nur, dass Takari jemand war, der alles tun würde, um in den Besitz einer solchen Kugel zu kommen. Wenn es sie denn heute noch gab. Er hatte Ryu an den Kragen gewollt für seine Schuppen. Das hatte er jedenfalls behauptet. Aber was... Wenn mehr dahinter steckte?
Du wirst echt paranoid, Shin...
Und das nur, weil der Arsch mich seit der Sache mit Ryu auf dem Kieker hatte und mir diese Ereignisse genauso wenig aus dem Kopf gingen wie die an die Kreaturen in Jualens Wäldern. Nur dass Takari nicht ganz so gruselig und grausig war, dafür jedoch skrupellos und grausam.
Ich riss mich aus diesen Gedanken heraus. Wir waren hier, um den Luftstein zu sehen. Alles war gut, alles war friedlich hier. Ich sollte nicht an Takari Io denken. "Komm, lass uns die Runde zuende drehen und dann endlich mal reingehen." Ich setzte wieder ein Lächeln auf und ging weiter.

Meistens war ich es ja, der Shin mit Fragen löcherte, aber diesmal war es anders herum und er überlegte laut und fragte mich, ob es sein konnte, dass es sich um so eine große Muschelperle handelte, die mit Magie versetzt war. Ich antwortete nicht sofort, weil ich erst darüber nachdenken musste, nur um zu dem Schluss zu kommen, dass ich es auch nicht besser wusste. "Hm, vielleicht? Ich...kenne mich damit nicht so wirklich aus, aber es kann ja gut sein. Viele unserer Vorfahren hatten wirklich erstaunlich starke magische Kräfte..." Auch darüber hatte ich im "Geschichtsunterricht" gehört. Es hatte früher Drachen gegeben, die ein sehr viel größeres magisches Potenzial besaßen als so ein junger Drache wie ich oder sogar wie mein Vater, obwohl der ja auch schon sehr alt war und sogar zu den älteren Drachen gehörte. Trotzdem redeten wir hier von Drachen, die vor mehreren Tausend Jahren gelebt hatten...und selbst die waren bei den Drachen, die heutzutage lebten auch nur Märchengestalten.
Zumindest soweit ich es wusste.
Im Gegensatz zu Shin drehten sich meine Gedanken nicht um Takari oder andere Gestalten, die Besitz von diesen Perlen ergreifen wollten. Ich interessierte mich vielmehr dafür, was es mit all diesen Geschichten auf sich hatte...
Shin riss mich dann aber wieder aus meinen Gedanken. Ich sah zu ihm auf, lächelte und nickte. "Okay!" Und damit setzten wir uns wieder in Bewegung, um unsere Runde um den Tempel hervor fortzusetzen. Hinter dem hohen Gebäude entdeckten wir einen gut gepflegten Steintempel mit einem wunderschönen Ahorn in der Mitte und einigen Laternen, ebenfalls aus Stein. Und wie sich herausstellte, standen diese Steinfiguren mit den Perlenreplikaten ebenfalls um den gesamten Tempel herum und blickten in die Ferne.
Schließlich hatten wir unsere Runde beendet und standen nun wieder vor dem imposanten Eingang, in den in der Zwischenzeit weitere Besucher hinein geströmt waren. Jetzt blieb nur noch der Luftstein, den wir uns anschauen mussten. Und natürlich auch das Innere des Tempels!

"Hmm..."; ein leiser, nachdenklicher Laut kam von mir. Ryu schloss die Möglichkeit, dass die Drachen riesige Muschelperlen mit Magie versehen hatten, nicht aus, und dass so etwas ging, hatte ich mir schon gedacht. Oder ... gegangen war? Wissen tat er es trotzdem nicht, sodass wir hier weiter im Dunkeln tappten. Ich war mir ziemlich sicher, dass auch die Bibliothek uns dazu nichts eindeutiges würde sagen können, denn wenn jemand wusste, was es damals mit den Perlen auf sich gehabt hatte, dann war das wohl Wissen der Mönche. Und der von eben hatte gesagt, dass er uns dazu nichts weiter erzählen konnte.
Vielleicht sollte ich Brianna doch mal kontaktieren und sie fragen.
Wir gingen weiter und meine Erinnerungen an die Steinminiatur hinter dem eigentlichen Tempel kehrten zurück. Nach und nach kam mir immer mehr von dem, was sich hier alles so versteckte, in den Sinn, und ich fragte mich, wo ich beim letzten Mal mit meinem Kopf gewesen war. Dabei wusste ich nicht mal mehr genau, mit welcher Frau ich eigentlich hier gewesen war. So wichtig konnte sie also nicht gewesen sein. Aber nun ja, Frauen waren zugegebenermaßen auf vielfältige Art und Weise ablenkend, auch wenn man sich nicht in sie verguckte...
Ich hüllte mich diesbezüglich lieber in Schweigen und betrachtete und zählte die Figuren, die um den Steintempel herumstanden und nach außen blickten. Doch allzu lange dauerte es dann auch nicht mehr, bis wir wieder nach vorn zum Haupteingang des Lufttempels kamen. Die Besucher hier waren respektvoll und sogar automatisch leiser als bei anderen Attraktionen, wie zum Beispiel dem Rathaus Anans - oder dem großen Markt natürlich. Hier unterhielt man sich automatisch gedämpft... Es war wohl einfach diese Atmosphäre des Ortes. Er war heilig und magisch, und das war deutlich zu spüren.