Auf einer kleinen Insel...

Während ich den Anderen so zuhörte, überlegte ich, dass es sich in der Vergangenheit ja doch schon auch angeboten hätte, den ersten Kontakt mit solchen Seefahrern zu machen. Ich fragte mich, wieso ich das nicht getan hatte und stattdessen nach Jualen geschwommen war, bis zu den Quellen der Flüsse, wo ich Shin ja auch eher nur zufällig begegnet war. Vielleicht hatte ich wirklich lieber erst einmal so ein großes Stück Land sehen wollen anstatt mich um die Landbewohner zu kümmern. Und solche Wesen, die auf einem Schiff über das Meer fuhren, waren so gesehen ja auch keine 'echten' Landbewohner. Es schien sie selbst hinaus aufs Meer zu ziehen.
Vielleicht hätte ich dem ein oder anderen ja auch noch Angst eingejagt. Das hätte ich auch nicht gewollt.
So und so ähnlich gingen meine Gedanken während der nächsten Minuten. In letzter Zeit dachte ich öfter über vergangenes nach und wie ich es vielleicht hätte anders tun können, aber nicht im negativen Sinne. Ich wollte aus Fehlern lernen und ich wollte nicht, das irgendjemand wegen mir verletzt wurde. Und ich wollte in der Lage sein, jemanden, der mir am Herzen lag, zu beschützen. Shin beispielsweise.
Ich blinzelte und holte mich aus meinen Gedanken als Shin mich von der Seite ansprach und fragte, ob ich auch einen Schnaps wollte. Mein Blick glitt einmal über die Runde. Das jemand nach einer Runde Alkohol gefragt hatte, hatte ich gar nicht mit bekommen.
"Hm", machte ich und runzelte die Stirn. Schnaps...da klingelte etwas in meinem Kopf. War das nicht dieses nicht ganz so leckere Getränk gewesen? Kleine Portion, schmeckte nach etwas, das ich noch nie zuvor probiert hatte...
Ich verzog das Gesicht ganz leicht, weil es mir dann wieder einfiel, nickte dann aber, weil ich nicht unhöflich sein wollte und es auch noch einmal probieren wollte. "Ja, gerne, aber bitte nicht so viel", sagte ich und lächelte dabei auch wieder höflich. Wenn es nur so eine kleine Portion war, war das ja nicht schlimm.

Ich lächelte erst nur ein wenig schief, weil ich sehen konnte, wie Ryu das Gesicht leicht verzog. Bestimmt fiel auch ihm gerade ein, dass Schnaps nicht das Beste gewesen war, das einem an Flüssigem passieren konnte, und dass es ihm am Morgen danach nicht so super gegangen war. Aber nach ein paar Sekunden stimmte er dann doch zu. Vielleicht änderte er seine Meinung ja auch noch mal, wenn er ein leckeres Schnäpschen bekam. Da gab es ja auch süße oder welche, die nicht so im Hals brannten.
Die Frau, die uns auch eben schon mit Flüssigkeit versorgt hatte, stellte uns jeweils ein kleines Gläschen hin und kippte eine klare Flüssigkeit aus einer ebenso klaren Flasche hinein. "Zuckerrohrbrand", erklärte sie dabei mit einem Wort und einem Lächeln auf ihren Lippen. "Wohl bekomm's." Sie zog sich wieder zurück und der Kapitän, der vor Kopf des anderen Tisches saß, hob sein Glas.
Ich schnappte mir schnell mein Glas und hob es ebenfalls, bevor er laut "Prost!" sagte und sich seinen Schluck in den Rachen kippte. Ich für meinen Teil nippte erst mal nur an meinem Schnaps. Er schmeckte scharf, aber gleichzeitig auch süßlich und nicht so stark, sodass man nicht gleich das Husten bekam, wenn man ihn herunterschluckte.

Die junge Frau, die uns schon während der gesamten Zeit mit Essen und Getränken versorgte, kam nun mit kleinen Gläsern oder Bechern und füllte eine klare Flüssigkeit hinein. Der Anblick frischte mein Gedächtnis noch einmal ein wenig auf; ja, so etwas ähnliches hatte ich wirklich schon einmal getrunken und ich erinnerte mich auch, dass es gar nicht mal so lecker geschmeckt hatte und eine seltsame Wirkung gehabt hatte. Aber ich hatte nun schon zugesagt und würde den Schnaps trinken. Vielleicht war es ja auch nicht der Gleiche und er schmeckte ganz anders.
Ich bedankte mich höflich, musste mich dann aber auch schon beeilen und das Glas in die Hand nehmen, weil nun schon alle zu prosteten und scheinbar gemeinsam anstoßen wollten. Auch ich prostete allen zu und tat es dem Kapitän gleich, indem ich gar nicht mehr an der klaren Flüssigkeit roch, sondern das Glas an die Lippen hob und es mit einem Schluck hinunter kippte.
Es schüttelte mich in der ersten Sekunde von der Schwanz- bis zu den Ohrenspitzen und dagegen, das ich das Gesicht dabei verzog, konnte ich dann auch gar nichts machen. Der Geschmack war wirklich seltsam: Die Schärfe ließ mich mich zuerst schütteln, doch dann folgte eine Süße, die deutlich angenehmer war und ein seltsames Gefühl in meinem Bauch hinterließ. So etwas wie ein warmes Kribbeln.
Ich stellte das geleerte Glas wieder ab, froh und auch ein bisschen stolz auf mich, das ich es geschafft hatte. Und so seltsam es auch irgendwie war: Ganz sooo schlecht war der Schnaps gar nicht gewesen. Nur anders, irgendwie...

Ich ließ mein eigenes kleines Gläschen ein wenig sinken und gluckste leise vor mich hin, als ich Ryu dabei beobachtete, wie er seins in einem Zug leerte und sich anschließend einmal schüttelte. Sein Gesicht sprach außerdem Bände - aber er war auch nicht der einzige hier, der eine Reaktion auf den Brand zeigte. Ein paar zogen ebenfalls ein Gesicht, machten einmal eine Kopfbewegung oder sogen die Luft durch die Zähne. Das war halt nichts Ungewöhnliches bei Schnaps. Die Reaktionen wären aber sicher noch stärker ausgefallen, wenn auch der gute Tropfen stärker bzw. schärfer gewesen wäre.
"Und, wie fandest du den?", fragte ich Ryu, ehe ich meinen Schluck dann ebenfalls in meinen Mund ausleerte, kurz auf der Zunge behielt und anschleßend herunterschluckte. Durch den süßlichen Nachgeschmack war er eigentlich ganz in Ordnung. Ich hatte schon wesentlich Schlimmeres hinter mir.

Ich war trotzdem froh, noch etwas schnödes Wasser in meinem Becher zu haben, mit dem ich den Geschmack in meinem Mund dann auch direkt wieder fort spülen oder wenigstens abschwächen konnte. Buähähä... Das brauchte ich wirklich nicht jeden Tag.
Ich lächelte trotzdem artig als Shin fragte, wie ich den Schnaps gefunden hatte. "Naja...er...war ganz okey", sagte ich und beugte mich zu ihm vor, nur um dann noch etwas leiser hinzuzufügen: "aber ich glaube ich trinke jetzt besser keinen mehr. Hab ich so etwas nicht mal schlecht vertragen?" Ich hatte da noch eine sehr schwammige Erinnerung, über die ich ja auch schon eben nachgedacht hatte, aber konnte sie nicht mehr so ganz einordnen. Auf jeden Fall wollte ich nicht, dass sich das hier auf dem Schiff wiederholte.
"Es ist doch nicht unhöflich, wenn ich keinen mehr mit trinke, oder Shin?" Unhöflich wollte ich ja auch nicht sein. Die Zweibeiner auf diesem Schiff waren für mich immerhin so etwas wie Helden, da sie Shin zurück zu mir gebracht hatten. Das stimmte so zwar nicht ganz, doch das war mir auch egal. Für mich war es so und es war mir wichtig, mich dankbar zu zeigen.

Als Ryu sich über den Tisch ein wenig zu mir vorbeugte, kam ich ihm automatisch ein wenig entgegen und spitzte die mit weichem Fell überzogenen Fuchsohren zu ihm. Bestimmt wäre mir sowieso kein Laut entgangen, das lief einfach automatisch mit den Ohren. Sie spitzten sich immer dorthin, wo meine Aufmerksamkeit oder zumindest ein Teil von ihr lag. Ich musste wieder leicht grinsen, weil Ryu mir offenbarte, dass er lieber jetzt bei Wasser blieb, weil er den Alkohol doch mal nicht so gut vertragen hatte.
"Nein, ich glaube, es bleibt eh bei einem", antwortete ich, sodass er beruhigt sein konnte. "Und diesmal hast du gut gegessen und Wasser getrunken, der Alkohol wird bestimmt keinen negativen Einfluss auf dein Befinden haben." Ich konnte mir jedenfalls nicht vorstellen, dass er sich nach einem Gläschen am nächsten Morgen schlecht fühlen würde. Wenn man Alkohol nicht gewohnt war, war man zwar auch schnell betrunken oder angeheitert, aber er hatte ja jetzt auch noch etwas gegessen und andere Flüssigkeit im Körper. Das würde schon.

Ich atmete erleichtert und so unauffällig wie es ging, aus. Na da hatte ich aber Glück gehabt...und auch wenn Shin meinte, dass ich den Alkohol jetzt sicher ganz gut vertrug. Der Geschmack war gerade auch nicht das, was ich jetzt gerade als schmackhaft bezeichnen würde. Ich hatte wochenlang nur von Seewasser und Fisch gelebt, diese Art von Geschmack war da dann schon sehr besonders und ungewohnt. Und naja, ja ich hatte auch einmal schlechte Erfahrungen damit gemacht, das ich gerade wirklich froh war, nicht noch mehr davon trinken zu müssen.
Ich seufzte noch einmal, diesmal, weil ich ganz zufrieden war, und sah mich in dem Raum um, beobachtete die anderen Matrosen weiter und lauschte den Gesprächen, während ich zwischendurch an meinem Becher nippte und Wasser trank. Das tat ich zwar langsam, aber doch schon die ganze Zeit, irgendwie, weswegen ich noch drei Mal die nette Frau um mehr Wasser bitten musste. Durst hatte ich ja immer und ich überlegte, ob ich nicht wirklich noch einmal ins Meer gehen und eine Runde schwimmen sollte.

Ryu sagte nichts mehr dazu, aber ich hatte das Gefühl, dass er erleichtert war. Manchmal war es schon echt komisch... Er war noch mal die Hälfte bzw. etwas mehr als das älter als ich und hatte von so Sachen wie Alkohol trotzdem keine Ahnung. Mir war mittlerweile zwar klar, dass er bei den Drachen noch ein Jugendlicher war, aber das änderte ja nichts daran, dass er dennoch mehr Zeit als ich gehabt hatte, Dinge zu lernen. Aber vielleicht bedeutete es auch einfach, dass er in alldem, worin ein normaler Mensch während seiner Adoleszenz unterrichtet wurde, einfach viel längere Lernstunden bekam und alles dann eben fünfmal so lange durchgekaut wurde. Keine Ahnung, war auch ein bescheuerter Gedanke irgendwie. Und dass er noch nicht so lange unter "uns" war, das wusste ich ja auch.
"Haben dir deine Eltern nie was über Alkohol beigebracht?", fragte ich Ryu nach einer kleinen Weile, in der auch ich den Gesprächen gelauscht oder mich ein wenig daran beteiligt hatte. Ich war nicht mehr sicher, ob ich ihn das schon mal gefragt hatte.

Shins Worte rissen mich aus der Unterhaltung zweier Männer, die in unserer Nähe saßen und von einer kleinen Insel bei Jualen sprachen, vor dessen Küste es scheinbar besonders große und fette Fische gab. Mein Magen hatte schon längst wieder zu knurren begonnen, doch zum Glück konnte das hier niemand hören, weil es laut genug war.
Ich blinzelte und wandte den Blick ab und zu Shin, der sich scheinbar noch ein wenig über Alkohol unterhalten wollte. "Nun ja, direkt beigebracht nicht, aber...naja, vielleicht haben sie einmal etwas darüber erzählt. Meine Geschwister haben sich öfters mal darüber unterhalten und einmal hat mir einer meiner Brüder auch irgendetwas gegeben, das ganz seltsam geschmeckt hat. Ich glaube...das war Alkohol gewesen.
Aber bei uns gibt es so etwas nicht. Wir haben andere Getränke, die aus Pflanzen gewonnen werden. Manchmal gab es auch Säfte von Früchten, aber auch das eher selten." Ich runzelte die Stirn während ich überlegte, doch da war sonst nichts, was mit Alkohol zu tun hatte. So etwas hatte dort, wo ich her kam, vermutlich einen ganz anderen Stellenwert als hier an Land. Die Zweibeiner schienen ihn sehr gerne zu trinken, aber allgemein war das Nahrungsangebot auch sehr viel vielfältiger. Das hatte ich auch einmal in so einer Art Geschichtsstunde gehabt, als es um die Bräuche und Gepflogenheiten der Landbewohner gegangen war.
"Was sollte man denn noch sonst über Alkohol wissen?", fragte ich dann noch nach. Es klang irgendwie so, als würde mehr hinter diesen seltsamen Getränken stehen als ich wusste.

Jaah, seine Antwort machte da schon Sinn. Die Wasserdrachen lebten halt offenbar ganz anders als ... ich oder wir oder die ganzen Inselbewohner, soweit ich es beurteilen konnte. Tiere kamen ja beispielsweise auch nicht einfach so an Alkohol, obwohl ich schon mal davon gehört hatte, dass sie gern vergorene Früchte von Bäumen fraßen - wenigstens manche -, weil man auch davon schön duselig werden konnte. An sich war es aber auch nicht schlimm, dass Ryu von Alkohol keine Ahnung hatte und wahrscheinlich auch nicht so viel davon hielt wie ich. Vermutlich war es sogar besser so für ihn; Alkohol war nicht gesund.
Trotzdem war es meiner Meinung nach auch nicht verkehrt, dass er darüber bescheid wusste. Immerhin konnte sowas auch ganz schön böse enden, wenn man über den Durst trank oder was untergejubelt bekam, weil man es nicht schmeckte. "Hmm...", machte ich leise und trank selbst noch etwas aus meinem Glas. "Alkohol ist auf den Inseln weit verbreitet und wird viel und oft beim Essen, in Gaststätten und so angeboten. Wenn du nicht weißt, ob in einem Getränk oder einer Speise Alkohol drin ist, und den dann auch nicht schmeckst, kann das auch ungesund enden." Ich schaute ihn nachdenklich an. "Es kann zwar ganz nett sein, wenn man sich davon angeheitert fühlt, aber wenn man zu viel hatte, geht es einem nach einer Weile schlecht und am nächsten Tag ist es noch schlimmer. Alkohol ist eine Droge. Deshalb ging es dir damals auch nicht so gut, als du was davon hattest."

Das dieser Alkohol auf den Inseln verbreitet war, hatte ich ja schon so mehr oder weniger gewusst und geahnt, weswegen ich leicht nickte, Shin aber nicht unterbrach.
Auch das, was Shin dann noch so erklärte, war für mich, der ja mittlerweile auch schon Alkohol probiert hatte, nicht ganz so neu. Es war trotzdem gut, wie er es noch einmal zusammen fasste und mir klar machte, das die Dinge, die Landbewohner taten, manchmal schon etwas seltsam waren. Wenn es so schlecht war, Alkohol zu trinken und man aufpassen musste weil es gefährlich war... Wieso taten die Landbewohner es dann?
"Hm, das ist schon etwas seltsam", teilte ich ihm meine Gedanken mit, wobei ich wieder einmal die Stirn gerunzelt hatte. "Wie kommt man dann auf die Idee, so etwas zu trinken? Wenn es gut schmecken würde, dann kann ich das ja schon verstehen..." Aber der Schnaps, den ich gerade getrunken hatte, war nicht gerade das, was ich als besonders lecker bezeichnen würde. Ich sagte das nur nicht laut, damit es niemand hörte und es am Ende noch als eine Art Beleidigung sehen würde. Das wollte ich ja nicht.

Ich hob die Schultern. "Na ja, ein wenig angetrunken zu sein, ist schon ganz lustig", erklärte ich ihm, "und außerdem schmeckt ja nicht jeder Alkohol gleich. Es gibt auch süße oder fruchtige Getränke mit Alkohol, den man durch den Geschmack nicht oder nur sehr schlecht wahrnimmt. Da muss man dann besonders aufpassen." Tja... Ich konnte nachvollziehen, warum er es nicht so gut nachvollziehen konnte. Umso wichtiger fand ich es, noch mal klargestellt zu haben, worum es ging.
Die ersten Leute waren wieder aufgestanden und durch die Bullaugen und von der Luke zum Deck her war gut zu erkennen, dass es mittlerweile auch schon dunkel geworden war. Wahrscheinlich würden jetzt nur noch die letzten Dinge erledigt und das Schiff für die Nacht fertiggemacht. Und dann hieß es auch schon Schlafengehen. Die Abende endeten meist früh - dafür begannen die Tage auf den Schiffen aber auch immer umso früher, und vermutlich würden wir am nächsten Tag auch bereits am Vormittag ankommen.

Ich nickte wieder. Ich hatte ja damals auf Jualen auch schon Alkohol getrunken, der ganz gut geschmeckt hatte, daran erinnerte ich mich noch. Es war ganz anders gewesen als dieser Schnaps hier. Und ich konnte auch sehr gut nachvollziehen, wieso man ihn dann trank, wenn er lecker war und nicht diesen seltsamen Geschmack hatte.
"Dann müssen wir unbedingt noch einmal von leckerem Alkohol probieren, ja Shin?" Ich lächelte breit. Und schon war ich davon überzeugt, das nicht jeder Alkohol schlecht war, obwohl Shin mich ja gerade aufgeklärt hatte. Ich war eben doch etwas naiv oder eben einfach unvoreingenommen.
So langsam löste sich die Zusammenkunft auf und die ersten verließen den Raum. Mittlerweile war die Luft auch etwas stickig, weswegen ich Anstalten machte, aufzustehen und zurück an Deck zu gehen. "Ich glaube ich werde noch ein wenig schwimmen gehen." Meine Ohren und Schuppen am Rücken juckten schon wieder, weil ich es gar nicht mehr gewohnt war, so lange trocken zu bleiben. Außerdem bekam ich so noch einmal ein wenig Bewegung. In den letzten Wochen hatte ich wirklich viel zu viel geschlafen.

"Hmm, schauen wir mal", sagte ich nur etwas vage, aber mit einem Lächeln bei Ryus Frage. Das allerdings ein wenig schief war, weil ich kurz das Gefühl hatte, dass er mir nicht richtig zugehört hatte. Aber für eine Standpauke war das natürlich viel zu wenig, dafür musste ich mein liebenswürdigstes aller Lächeln jetzt zum Glück nicht auspacken. Stattdessen ließ ich Nachsicht walten.
Auch ich erhob mich, als Ryu es tat und verkündete, dass er noch mal schwimmen gehen würde. "Ich komme mit nach oben, ich brauche noch ein bisschen frische Luft", erwiderte ich und folgte ihm zur Treppe, die uns wieder an Deck führte. Es hatte merklich abgekühlt und der Wind etwas aufgefrischt, doch nach dem Essen und der verbrauchten Luft unter Deck tat das gerade gut. Und kalt war es auch nicht direkt. "Vielleicht bin ich gleich schon schlafen, wenn du länger weg bist. Ich sorg dafür, dass du dich neben mir hinlegen kannst. Du musst einfach wieder runter gehen und dann in die andere Richtung. Da findest du die Schlafplätze", erklärte ich dem Wasserdrachen, bevor er sich über Bord und in die für mich äußerst ungemütlichen Fluten stürzen konnte.

Ich nickte und stand mit Shin zusammen auf, bedankte mich noch einmal bei der Frau für das leckere Essen und Trinken und ging mit ihm zusammen dann zurück hinauf ans Deck. Ich sog die frische, salzige Seeluft mit einem Tiefen Atemzug ein und spürte, wie meine Lebensgeister wieder erwachten. Ja, die frische Luft tat wirklich gut...und schwimmen gehen gleich sicher auch.
Ich wandte mich Shin noch einmal zu und nickte und lächelte. "Okay. Ich werde dich sicher schon wieder finden", versicherte ich ihm. So schwer war es bestimmt nicht, den richtigen Raum zu finden. Im Notfall war ja vielleicht noch jemand wach und konnte mir kurz aushelfen.
Falls von Shin ansonsten nichts mehr kam, wandte ich mich von ihm ab und schwebte zur Reling hinüber -schweben tat ich schon die ganze Zeit über wieder, da war ich wirklich etwas aus der Übung geraten und auch ein wenig faul-, wandte mich noch einmal Shin zu und hob die Hand, um ihm noch einmal zuzuwinken, bevor ich über die Reling schwebte und mich dann einfach ins Wasser fallen ließ.
Ich wechselte während meines Falls die Gestalt, sodass die Fontäne, die bei meinem Aufprall mit dem Wasser entstand, hoch in die Luft spritzte und die Reling mit Wassertropfen besprühte.
Ich tauchte einige Meter in die Tiefe, mit angelegten Klauen, schlängelte mich wie eine riesige Schlange durch das Wasser und machte mich anschließend wieder auf den Weg an die Wasseroberfläche.
Ich sprang in hohem Bogen aus dem Wasser, rief noch einen hörbaren Drachengruß zurück in Richtung Schiff und verschwand wieder im dunklen Meer, wo ich mich in der nächsten Zeit austobte und den ein oder anderen Fisch verschlang.
Ich hatte keine Probleme, mich in der Dunkelheit des Wassers zu orientieren und entfernte mich nie allzu weit von dem Schiff, damit ich es nicht doch verlor.

Eine unbestimmte Zeit verging, bis ich schließlich wieder zurück zum Schiff kehrte. So leise, wie es mir möglich war, streifte ich meine Drachenschuppen wieder ab und landete auf der Reling, wo ich mich noch eine Weile aufhielt, um mich von der frischen Seeluft trocken pusten zu lassen. Dann machte ich mich schwebend auf den Weg zu Shin.
Es war nicht besonders schwer, den Raum zu finden, in dem die meisten der Matrosen schliefen, denn sie schnarchten sehr sehr laut. Es war auch nicht schwer, Shin in eine der Hängematten ausfindig zu machen, in Form eines hellen felligen Büschels mit zwei Ohren. So eine Hängematte war mit so vielen Ruten mit Sicherheit etwas eng. Neben ihm gab es eine Hängematte, in der noch niemand lag, weswegen ich annahm, dass es meine war. Ich brauchte ein wenig, bis ich mich in sie hinein gewuselt hatte und noch ein wenig mehr, bis ich so auf der Seite lag, das mein Drachenschwanz mir nicht im Weg war. Ich ließ ihn einfach halb heraus hängen, das war einigermaßen gemütlich so und drapierte das weite Gewand zu einer Decke über mir.
Ich gähnte und schloss die Augen und nachdem ich mich ein wenig daran gewöhnt hatte, in der Hängematte zu liegen, war es sogar ganz angenehm, da ich dadurch das leichte Schaukeln der See spüren konnte. Ich musste an meine Mutter denken und schlief schließlich mit den Gedanken an meine Familie ein...

Ich wachte früh am nächsten Morgen auf, als die ersten Matrosen aufstanden, blieb aber noch einen Moment lang liegen und wartete, bis sich das Gewusel um mich herum gelegt hatte. Ich war so lange alleine gewesen und es generell nicht gewohnt, dass sich um mich herum jemand bewegte das ich ohnehin nicht mehr schlafen konnte. Außerdem war die Hängematte auf Dauer dann doch etwas ungemütlich, wenn man den weichen Sandboden als Schlafplatz gewohnt war.
Ich drehte mich und warf einen Blick zu Shin rüber, der noch zu schlafen schien, schwebte langsam aus der Hängematte heraus und streckte die Arme und Beine, bevor ich etwas näher an ihn heran schwebte, um zu sehen, ob er nicht doch vielleicht schon wach war. Dabei schob ich die Hand vor und berührte eine der hellen Ruten. Haha, das Fell ist immer noch ganz weich.

Ich nickte bei seinen Worten leicht und schenkte ihm noch ein Lächeln, ehe ich ihn dabei beobachtete, wie er sich zur Reling wandte. "Gute Nacht schon mal", sagte ich, als er mir noch einmal zuwinkte, dann war er im Dunkeln verschwunden und ich hörte nur noch ein Platschen, als er sich ins Wasser plumpsen ließ. Ich folgte ihm gemächlich, weil ich so sichergehen konnte, dass ich nicht nassgespritzt wurde, und konnte ihn ein Stück entfernt vom Schiff ausmachen, weil er in seiner Drachengestalt war - und weil er noch einmal laut brüllte.
"Kommt Ryukyu nicht zurück, Hayashino-san?", fragte mich ein Mann, der mit uns an Deck war und die Takelage für die Nacht bereitzumachen schien. "War das ein Abschied?"
Ich winkte ab. "Nein, der kommt wieder", antwortete ich und spitzte die Ohren.
"Oh, gut!" Der Mann wirkte ein wenig erleichtert, und ich hatte das Gefühl, dass er die Sache mit dem guten Omen und Glückbringen ein wenig zu ernst nahm.
"Und selbst wenn nicht", fügte ich deshalb hinzu und mein Lächeln wurde etwas breiter. "Ich hab genug Glück für drei Schiffe", und ich bauschte die sieben Ruten hinten mir einmal zu einem hübschen Rad und ließ sie sacht hin und her wiegen.
Er schien nicht überzeugt. "Aber Ihr seid ein Landwesen. Das ist ein Unterschied."
"Ach, die bringen überall Glück. Selbst auf dem Mond." Und mit einem leichten Grinsen und einem leisen Glucksen verabschiedete ich mich von ihm. Ich schlenderte noch einmal langsam über das Deck, begab mich dann aber doch wieder unter Deck und zu den Hängematten, wo ich meine bezog und darum bat, die eine neben mir freizulassen, damit Ryu darin schlafen konnte. Seine war die letzte in der Reihe, sodass er nicht mitten ins Gewühl musste und ich mich zwischen ihm und den anderen befand. Ich war noch wach, als Ryu zurückkehrte und sich in seine Hängematte wühlte. Allerdings sprach ich ihn nicht an und beobachtete ihn nur aus leicht geöffneten Augen und zwischen zwei Ruten hindurch dabei, wie er sich hinlegte und zurechtrückte. Ich wollte ihn nicht stören, und vor allem auch die anderen nicht, obwohl ich auch in der nächsten halben Stunde nicht einschlief, während ein paar der Leute um uns herum im Gleichtakt oder um die Wette schnarchten. Die Umgebung war auch für mich ungewohnt, die Stimmung - aber vor allem die Tatsache, dass wir uns mitten auf offenem Gewässer befanden, hielt mich davon ab, ganz herunterzukommen und selig einzuschlafen.

Die Geräusche der munterwerdenden Matrosen und Händler weckten mich, ich wurde allerdings schon zum zweiten oder dritten Mal wach. Es war wahrscheinlich noch recht früh und ich hatte keine Lust und eigentlich auch keinen Grund, mich schon hochzubequemen, sodass ich die Leute beobachtete und hin und wieder die Augen einfach noch mal zumachte, während sie sich aus ihren Hängematten quälten, sich leise unterhielten oder den Raum verließen. Ich hatte mich in der Nacht in die andere Richtung gedreht, sodass sich Ryu in meinem Rücken befand.
Mein eines Ohr verriet mich vielleicht schon, als er sich ebenfalls rührte und aufstand, denn es drehte sich automatisch nach hinten zu ihm und fing die Geräusche ein, die er verursachte. Aber das hätte es auch gemacht, wenn ich geschlafen hätte. Die Berührung an dem einen Schweif merkte ich sofort und ließ ihn absichtlich zucken und in Ryus Richtung schnippen. Ansonsten regte ich mich allerdings noch nicht. Ich wartete, ob er ihn noch einmal anfasste. "Gut geschlafen?", fragte ich ihn dann und drehte den Kopf zur Schulter, sodass ich ihn ansehen konnte.

Ich hatte das zuckende Ohr nicht bemerkt, dafür sah ich ja aber deutlich, wie seine Rute zuckte, weswegen ich die Hand gleich wieder zurück zog und den langen Ärmel darüber gleiten ließ, Shin drehte sich einen Moment später auch schon so halb um und ich begann zu lächeln und erwiderte seinen Blick. Er sah nicht so aus, als hätte ich ihn geweckt.
Bevor ich auf seine Frage antwortete, ließ ich den Blick noch einmal durch den deutlich geleerten Raum gehen. Nur ein Stück weiter hinten schnarchte noch jemand.
"Najaaah", machte ich langsam und leise, schwebte ein Stück höher und beugte mich halb über ihn, sodass ich Shin besser ins Gesicht schauen und er sich nicht so verdrehen musste, "es war ein bisschen ungemütlich, aber es ging." Ich warf dabei noch einen Blick über die Schulter, um sicherzugehen, das mich niemand hörte. Ich wollte nicht undankbar klingen, wie immer.
"Und du?" Ich runzelte die Stirn. Shin sah noch ein wenig müde aus, im Gegensatz zu mir. Ich war wach und bereit, einen neuen Tag zu starten. Jetzt, wo Shin wieder da war und wir weiter reisen konnten, war ich wieder ganz aufgeregt. Was wir wohl alles sehen und erleben würden? Ich war schon ganz gespannt und wäre am Liebsten endlich an der nächsten Insel angekommen.

Ich wischte mir mit den Fingern ein paar Haarsträhnen aus der Stirn und rieb mir über das Gesicht, bevor ich mich dann endlich aufsetzte und etwas umständlich die ganzen Ruten hinter mich zog. Manchmal war es mit sieben Stück davon schon ein bisschen schwierig, aber ich hätte trotzdem gern neun gehabt. Ich schmunzelte bei seinen Worten leicht und sah ihm dabei zu, wie er sich umsah, als hätte er Angst, dass ihn wer hörte.
"Eigentlich ist es okay, aber ich kann auf Schiffen nie gut schlafen", antwortete ich auf seine Frage, stand auf und schlüpfte dabei in meine Stiefel, ehe ich mich einmal streckte und die Schweife ein bisschen ausschüttelte. Ryu sah wacher aus als ich, aber wenn ich erst mal frische Luft geatmet hatte, würde es schon gehen. Ich war ja sonst auch kein Langschläfer.
"Wir sind bestimmt bald da. Lass uns schnell was essen gehen und danach können wir bestimmt schon den Hafen sehen."

Ich schwebte ein Stück zurück, damit ich nicht im Weg war, als Shin Anstalten machte, aus seiner Hängematte zu klettern. Dabei beobachtete ich, wie er seine Ruten hinter sich bugsierte...das sah schon etwas umständlich aus, bestimmt waren die manchmal auch im Weg. Das war mit meinem Drachenschwanz ja auch so eine Sache.
Ich nickte sacht, als er sagte, dass er auf Schiffen nicht gut schlafen konnte, fragte aber nicht nach, weil ich meinte, den Grund zu wissen. Shin mochte Wasser ja nicht so sehr, etwas, das ich absolut nicht nachvollziehen konnte. Wenn ich mir vorstellte, auf einem Meer aus Feuer zu fahren, würde ich mich aber auch unwohl fühlen, also konnte ich schon verstehen, wieso es ihm so ging.
Etwas zu essen klang gut, weswegen wir uns gleich auf den Weg in den Raum machten, in dem wir am Abend zuvor schon gegessen hatten. Die Bänke waren leer, doch die Frau, die uns auch gestern bedient hatte, kam und brachte jedem von uns eine Portion des hiesigen Frühstücks, das aus einem Stück Brot, etwas Dörrfleisch und Käse bestand. Im Gegensatz zu gestern sah das hier schon etwas mager aus. Ich konnte mir aber auch gut vorstellen, dass auf so ein Schiff eben auch nicht zu viel Nahrung passte und beschweren tat ich mich schon einmal gar nicht, weswegen ich mich bedankte und zuerst einen großen Krug Wasser leerte, bevor ich mich daran machte, auf dem Brot herum zu kauen, von dem ich noch mehr Durst bekam.
Nachdem wir gegessen hatten, machten wir uns auf den Weg an Deck. Ich blinzelte heftig und schirmte die Sonne mit dem langen Ärmel ab während ich an die frische Luft schwebte. Sobald ich mich an das Licht gewöhnt hatte, wanderte mein Blick an den Horizont.
"Shin, schau mal. Da ist Land!" Ich streckte die Hand aus und deutete auf den Horizont. Der Kitsune hatte es bestimmt auch schon längst und ohne meinen Hinweis gesehen.
Ha, das hieß das wir bald da waren. Endlich!

Im Vergleich zum Abendessen war trockenes Brot zusammen mit Käse und etwas Dörrfleisch schon ein wenig mau, aber es war auch nichts anderes als das, was ich normalerweise so auf Reisen dabei hatte. Ich war es gewohnt und durfte gegen wenig Geld mitfahren, da beschwerte ich mich sicher nicht. Allerdings hatte ich auch nicht so Probleme mit den Wassermengen, sodass ich schon nach einem Glas Wasser keinen Durst mehr hatte, aber lieber sicherging, dass Ryu genug davon trank. Wahrscheinlich unnötig, weil er selbst am besten wusste, wann er Durst hatte und wann nicht.
Gesättigt und mit meiner Tasche über der Schulter kletterte ich schließlich mit Ryu zusammen an Deck, wo die Sonne uns schon begrüßte. Und mit ihr ein paar Möwen - und ein Fleck am Horizont, bei dem es sich eindeutig um Land handelte. Na endlich! Und zum Glück. Wenn ich nicht dauernd darüber nachdachte, gingen Schiffsreisen schon, aber meine Füße gehörten auf festen Boden und nicht auf ein fahrendes Schiff.
"Das ist Jualen", sagte ich zu Ryu und trat an die Reling. Meine Augen schirmte ich wie er mit der Hand ab. "Man kann auch schon Anrin erahnen, schau mal." Ich streckte den Arm aus und deutete zu einer Anhäufung von rechteckigen Flächen, die die Dächer und Fassaden der Hafenstadt darstellten.

Ich nickte und trat weiter nach vorne an das vordere Ende des Schiffs. Bug nannte man es, oder?
Jualen... Und Anrin. Einige schöne und weniger schöne Dinge waren darauf passiert. Hier hatte meine Reise an Land begonnen und ich hatte Shin getroffen. Wir waren aber auch diesen Schattenwesen im Wald begegnet und in Anrin hatte Takari uns in eine Falle gelockt. Und ich war sehr böse auf Shin gewesen, deswegen...
Ich schüttelte den Kopf in Gedanken. Darüber wollte ich jetzt nicht nachdenken, das war schon eine ganze Weile her. Wir würden ja auch nicht auf Jualen bleiben, sondern uns die Luftinsel anschauen. Außerdem...
Ich griff unter das Gewand und tastete nach dem Amulett, das Shin in Rean gekauft hatte... Ich hatte es, seit wir uns voneinander getrennt hatten, nicht mehr ausgezogen, auch als Drache nicht. Solange ich es hatte, da war ich mir sicher, würde schon nichts passieren.
Während das Schiff langsam auf und ab schaukelte, näherten wir uns langsam weiter dem festland. "Meinst du, die Menschen erinnern sich noch an uns und den Zwischenfall?", fragte ich Shin und sah ihn dabei an. So ganz vergessen oder darüber hinweg sehen konnte ich dann doch nicht.

Auch meine Gefühle waren ob unserer baldigen Ankunft ausgerechnet in Anrin, jetzt wo Ryu bei mir war, ein wenig gemischt. Wir hatten ein paar schöne Tage in Anrin verbracht, aber der Besuch bei Takari hatte sich so gut in mein Gedächtnis gebrannt wie mein Feuer Muster in Holz malen konnte. Und wie enttäuscht Ryu danach von mir gewesen war, das hatte mich auch geprägt, und das bedeutete einiges. Ich wusste immer noch nicht so genau, wieso ausgerechnet bei ihm. Vielleicht, weil er ein Drache war und es schon was heißen wollte, wenn ein Drache einen Groll gegen einen hegte oder so. Was immer es war, es spielte jetzt keine Rolle mehr, denn ich war froh, dass wir uns wieder vertragen hatten. Ryu war für mich ein Freund, auch wenn wir sehr unterschiedlich waren und ich wusste, dass ich vermutlich ein paar mal die Geduld mit ihm verlieren würde, je länger wir zusammen unterwegs waren.
"Hmm...", machte ich nachdenklich. "Einen Fuchs und einen Drachen sieht man in einer Stadt nicht oft, einen Drachen sicher noch viel weniger, und beide zusammen... Bestimmt erinnern sich noch ein paar im Hafen an uns, wo wir lang sind wegen Takari... Aber du bist ja als Person unterwegs, nicht als Drache. Ich glaube, man wird uns nicht schief angucken." Ich stützte mich mit den Armen auf die Reling und blickte dem Hafen entgegen.

Ich nickte langsam, lächelte und wandte den Blick seufzend wieder der Insel zu. Shin beruhigte mich mit diesen Worten. Ja, er hatte ganz sicher recht und man würde uns sicher nicht schief anschauen, wenn wir wieder durch Anring gingen. Ich hatte sowieso nicht vor gehabt, meine Drachengestalt anzunehmen und würde dann ja vielleicht nicht so sehr auffallen.
Ich warf einen Blick an mir herunter, streckte dann nach einem Moment die Beine und landete auf meinen nackten Füßen. Die Sandalen, die Shin mir einmal gekauft hatte, waren mir schon längst abhanden gekommen, aber das Gewand war weit und wenn ich nicht mehr schwebte, fiel ich noch weniger auf, also sollte ich meine staksigen Menschenbeine mal wieder benutzen.
Noch einmal glitt mein Blick in Richtung Horizont...dann begann ich ein wenig, über das Deck zu gehen um das Gehen als Zweibeiner zu üben. Während der ersten Minuten sah es schon noch ziemlich wackelig aus, doch ich hatte den Dreh schnell wieder raus. Ich war nur nicht so ganz schnell unterwegs und ich spürte, wie meine Fußballen schon nach der kurzen Zeit weh taten, weil sie in einer Art und Weise benutzt wurden, in der sie seit Wochen nicht verwendet worden waren. Die Übung mit meiner Menschengestalt war auf der kleinen Insel wirklich sehr liegen geblieben. Das war dumm von mir gewesen, davor war ich wesentlich besser in ihr zurecht gekommen.

Ryu nickte, sagte sonst aber nichts mehr, weshalb ich hoffte, das meine Worte ihn wirklich beruhigt hatten. Ich sah ihm dabei zu, wie er ein paar Augenblicke später mit den Füßen auf dem Deck des Schiffes landete und anfing, über die Holzplanken zu laufen. Das hatte er schon mal besser gekonnt - aber mir war klar, dass er seine Menschengestalt allein für sich nicht wirklich benötigte, und selbst dann konnte er am Strand und über dem Wasser ja einfach schweben. Wenn ich das könnte, würde ich das auch machen. Trotzdem könnte es schon sein, dass ich mir da einen Kommentar nicht sparen würde.
Aber zunächst blieb ich still und sah ihm nur zu, während der Kai, an dem wir anlegen würden, rasch näher kam. Bald musste ich dann auch ein bisschen aus dem Weg gehen, weil die Matrosen das Schiff zum Anlanden vorbereiteten. Es wurde gerufen und hin und her gewuselt, und bald war es auch schon so weit. Die Stege waren so nah, dass ich erleichtert aufatmete, weil ich so weit zur Not auch schwimmen konnte. Das Schiff wurde vertäut und die Segel eingeholt, und dann schoben zwei Männer die breite Schiffsplanke auf den Kai, über die die Waren und die Leute vom Schiff herunterkommen konnten.
Bezahlt hatte ich schon, aber ich verabschiedete mich trotzdem noch sehr höflich von dem Händler, dem das Schiff gehörte. Er bedankte sich im Gegenzug bei Ryu noch einmal für die Muscheln und das Schiffsglück, dann konnten wir auf den Kai hinunter treten und uns vom Wasser etwas entfernen - was ich auch tat. Und noch einmal erleichtert seufzte.

---> Anrin/Hafen und Umgebung

Es dauerte gefühlt gar nicht so lange, bis Bewegung an Deck kam und ich meine Gehübungen erst einmal beenden musste, um niemandem im Weg herum zu laufen. Scheinbar wurde alles für die Ankunft am Hafen vorbereitet und ich beobachtete, mittlerweile wieder schwebend, wie die Matrosen Sachen hin und her trugen, an irgendwelchen Seilen zogen oder lockerten... Ich blickte nicht so ganz durch, was für einen Sinn das alles ergab, aber ich fand es sehr interessant, was die Menschen sich so alles hatten einfallen lassen, um über das große weite Meer segeln zu können, ohne dabei nass zu werden oder zu viel Energie aufzubrauchen.
Schon bald waren die Stege von Anrin zu sehen und ich beobachtete, wie das helle Segel eingeholt wurde. Schließlich wurde das Schiff mit Seilen an den Stegen fest gemacht und eine Holzplanke über Bord gezogen, über die wir an Land gelangen konnten.
Ich war etwas verlegen, als der Besitzer des Schiffs sich noch einmal bei mir bedankte, doch ich hatte dafür die Gelegenheit, es zurück zu geben und mich auch noch einmal für die Überfahrt zu bedanken.
Schließlich wandten Shin und ich uns dem Steg zu, den ich schwebend überquerte. Ich wollte hier besser nicht hin fallen... Das würde schon etwas peinlich werden wenn alle zusahen.

~~~> Dito :3