Unter der Erde

Ich versuchte mich wirklich, auf meine Aufgabe zu konzentrieren, aber das war gar nicht so einfach und wahrscheinlich wäre es mir nicht so gelungen wie es eben ging, wenn ich nicht sowieso schon brennzlige Situationen gewöhnt wäre, weil sie in meinem Leben nunmal schon ab und an vorkamen. Meine Finger zitterten zwar, aber ich kam trotzdem voran.
Nicht schnell genug, wie mir vorkam. Die Stimmen waren lauter geworden und plötzlich erklang ein Krachen, das mich zusammenzucken ließ, weil es so nah klang. Mein Blick huschte erschrocken zu dem Gang, wo aber natürlich noch nichts zu sehen war wegen der Dunkelheit, selbst wenn da jemand gewesen wäre. Und dann wandte ich mich auch schnell wieder meiner Arbeit zu.
"Jaaa", flüsterte ich und biss mir auf die Lippen, während ich noch die letzte Schnur fertig festdrehte, damit sie auch hielt. Passt! Jetzt war ich fertig! Ich sparte mir aber weitere Worte, Rave sah auch so dass ich fertig war, weil ich mich ihm zuwandte. Er hatte eine Packung Streichhölzer in der Hand. Jetzt wurde es also spannend. Wenn die Situation nicht so furchtbar brennzlig und knapp gewesen wäre, hätte ich das spannend gefunden, aber jetzt mischte sich unter den Nervenkitzel auch etwas Angst. Wahrscheinlich trotzdem nicht so viel wie bei Rave. Ich hatte mich wieder etwas gefangen, und außerdem hatte ich irgendwie den naiven Glauben, dass schon alles gut werden würde. Schließlich hatten wir jetzt auch einen Ausweg! Im Abhauen war ich gut.
Ich ließ Rave das mit den Streichhölzern machen, außer er gab mir auch etwas davon ab, aber ansonsten wusste ich auch nicht genau, was ich tun sollte.

Ich stapfte wieder zurück zu Rin und warf den Zündschnüren, die sie zusammen gepfriemelt hatte, einen Blick zu. Ja, das müsste so gehen. War nur zu hoffen, dass die Explosionskraft ausreichte, um ein ordentliches Loch in die Höhle zu bomben.
Und uns nicht gleich alle mit.
Ich beugte mich Richtung Boden und klaubte das kleine Stoffsäckchen auf, das ich zuvor dort liegen gelassen hatte. Ich steckte es mir in die Tasche und zog stattdessen die Streichhölzer heraus, hob den schwach glimmenden Leuchtstein höher und trat auf Rin zu. "Okay, gut...also der Plan is' folgender: Wir beide zünden jetz' die Zündschnüre an. Du machst zwei, ich drei. Wenn du fertig bist, hauste durch das Loch, das du gebuddelt hast, nach draußen ab und ich komm nach. Wir warten die Explosion ab. Wenns nich' geklappt hat, haun' wir in den Wald ab, wenn doch, fliegen wir mit dem Gleiter los.
Alles klar?" Ich überreichte ihr den Leuchtstein, damit ich die Hände frei hatte, um ein Streichholz hervor zu ziehen.
Eigentlich wäre es besser gewesen, die ganzen Schnüre der Dynamitstangen noch einmal an einer Großen zu verbinden, damit alles relativ gleichzeitig zündete...aber es klang nicht so, als hätten wir noch nicht viel Zeit. Wurde echt Zeit, das Weite zu suchen!

(ich weiß nicht mehr wo der zweite Leuchtstein hingekommen ist ô.o aber ich tu einfach mal so als hätte sie ihn wieder genommen XD)

Mein Blick heftete sich in Raves Gesicht, als er zu mir herantrat und begann zu erklären, was er weiter vorhatte. Selbst mir kam das ganze eher gefährlich vor, obwohl ich keine Ahnung hatte wie schnell diese Schnüre abbrannten und wie heftig die Explosion sein würde, aber wir hatten immerhin ja auch überhaupt keine Zeit, noch etwas anderes zu machen. Und die lauter werdenden Geräusche aus dem Laden waren Ansporn genug für mich, dass ich keine weiteren Einwände brachte.
"Klar", bestätigte ich, nahm den zweiten Leuchtstein entgegen und hielt beide so, dass Rave Licht hatte. Hätte ich noch mehr gesagt, hätte man mir meine Nervosität vielleicht angehört, deshalb sagte ich lieber nichts mehr. Außerdem gab es sowieso nicht mehr zu sagen... Schnüre anzünden und schnell verschwinden. Das bekam ich hin! Und ein Streichholz anzünden konnte ich auch, falls Rave das nicht für mich machte. Sofern mir nicht die Finger zu sehr zitterten.

(Egal xD)

Da Rin die Hände mehr oder weniger mit den Leuchtsteinen voll hatte und ich mit Streichholz und Schachtel bewaffnet war, übernahm ich die Aufgabe, ersteres auch anzuzünden, damit sie direkt los legen konnte, nachdem ich sicher gegangen war, das sie alles verstanden hatte. Während Rin die coole Socke mimte (den Eindruck hatte ich jedenfalls) war meiner Stimme die Nervosität deutlich anzuhören. So wirklich still halten konnte ich gerade auch nicht und meine Hand, die das Streichholz festhielt, zitterte ganz schön als ich es über den Anzünder an der Schachtel entlang streichen ließ und es beim zweiten Versuch angezündet bekam. "Okay, los geht's..." Ich reichte ihr das Streichholz und griff direkt in die Schachtel, um ein zweites hervor zu kramen und ebenfalls anzuzünden. Mit diesem trat ich schließlich auch direkt an die Wand mit den Zündschnüren und zündete die ersten an, nachdem ich sicher gegangen war, das Rin ebenfalls angefangen hatte. Ein klein wenig mussten wir zumindest versuchen, das Ganze zu timen. Die Zündschnüre waren auf jeden Fall lang genug, das wir beide Zeit hatten, uns in Sicherheit zu bringen. Das...redete ich mir jedenfalls die ganze Zeit gut ein.

Angespannt sah ich Rave dabei zu, wie er das erste Streichholz anzündete. Dabei merkte ich auch, dass ich es mir nicht nur einbildete, sondern dass seine Hände wirklich zitterten, was vor allem sichtbar wurde, als er mir das angezündete Streichholz reichte. Er hatte auch zwei Versuche dafür gebraucht. Es war zwar nicht gerade beruhigend, dass Rave auch so nervös war, aber es spornte mich dazu an, meine eigene Nervosität und Angst nicht so sehr zu zeigen, oder es jedenfalls zu versuchen.
Ich schob beide Leuchtsteine in eine Hand und nahm das Streichholz entgegen, ließ Rave noch das zweite anzünden und gab ihm dann den einen Leuchtstein rasch wieder, damit er auch Licht und ich die Hand freier hatte, dann wandte ich mich auch sofort den Dynamitstangen auf der anderen Seite des Loches zu. Ich beeilte mich einfach und hielt die Schnur an die kleine Flamme, die auch ziemlich schnell übersprang, und flitzte dann zu der zweiten Schnur. Ich war schon froh, dass es nur zwei waren.
"Ich hab's!", rief ich, sobald ich fertig war und die zweite Schnur auch brannte, damit Rave bescheid wusste. Ich wartete aber auch nicht auf ihn, sondern warf ihm nur einen Blick zu, um zu sehen wie weit er war, und huschte dabei zum von mir gegrabenen Ausgang, denn gleichzeitig kamen wir da sowieso nicht raus, also beeilte ich mich, das zu tun was Rave gesagt hatte und kletterte über die Erdhügel durch das Loch. Abgesehen von dem was ich gelockert hatte, war die Erde immer noch relativ fest, sodass ich ganz gut nach draußen klettern konnte, nachdem ich mich an dem Loch im Erdboden nach oben zog. Frische Luft! Wie gut das tat... Es fühlte sich nach gelungener Flucht an, auch wenn ich wusste, dass wir noch nicht ganz soweit waren.
Ich entfernte mich einige Schritte und drehte mich um, um auf Rave zu warten... und auf die Explosion...

"Sehr gut!", rief ich Rin zu und warf ihr einen Blick zu, doch sobald ich sicher war, dass sie sich an den Plan hielt und auf den Weg zu dem gebuddelten Loch machte, wandte ich mich wieder den Zündschnüren zu. Ich verbrannte mir die Fingerkuppen als ich versuchte, mit dem kurzen Rest des Streichholzes die letzte Schnur anzuzünden, schaffte es dann aber und ließ das brennende Stückchen Holz zu Boden fallen nur einen Moment, nachdem Rin in das Loch gekrabbelt war und dabei war, sich in die Freiheit hinaus zu zwängen. Jetzt nix wie raus hier, Rave!
Ich wandte mich von der Wand ab, die in den nächsten Sekunden in die Luft fliegen würde und wäre mein besorgter Blick nicht gewesen, der dabei noch einmal in Richtung des improvisorisch abgedeckten Luftgleiters gegangen wäre, hätte ich die Gestalt nicht gesehen, die schräg hinter diesem aus dem engen Durchgang heraus gerannt kam, die in den vorderen Teil des Ladens führte. Vielleicht hätte sie mich eiskalt erwischt wenn ich versucht hätte, mich hinter Rin nach draußen zu quetschen. Vielleicht auch nicht...das spielte gerade keine Rolle mehr.
Der Typ sah mich in dem Augenblick, in dem ich ihn sah. Wir reagierten auch in etwa gleichzeitig: In seiner Hand flammte ein Feuer auf und ich griff mit meiner Magie nach der Luft. Bevor ich jedoch dazu kam, sie auch einzusetzen, schoss bereits eine Flammenzunge auf mich zu. Ich hechtete zur Seite, vollführte eine halbe Rolle auf dem Boden, um dem Feuer zu entgehen und rappelte mich wieder auf, nutzte die Drehung und schwang den Arm, um dem Angreifer einen scharfen Windstoß entgegen zu pusten. Ich ignorierte dabei das heiße Brennen auf meinem Gesicht und während mir der Geruch von verbranntem Haar in die Nase stieg.
Ich sah, wie der Typ ein Stück zurück in den Gang geschleudert wurde, erahnte jedoch eine Bewegung im Halbdunkel und schleuderte eine zweite Druckwelle in Richtung des Durchgangs die Erde von der Decke bröseln ließ. Ein unterdrückter Schrei war zu hören und in einem kurzen Moment des Erfolgs lächelte ich, wurde jedoch sofort wieder auf den Boden der Tatsache zurück gebracht. Das Dynamit!
Ich drehte mich auf der Stelle um und sah zurück in Richtung der Wand, wo ich gerade noch sehen konnte, wie eine der kleinen bitzelnden Punkte in dem Loch verschwand, in dem sich die Dynamitstange befand. SCHEIßE!
Mein Blick flog herum, streifte den Tresor und in einer Eingebung hechtete ich auf diesen zu. Da war genug Platz drin! Es musste!
Ich griff nach der Tresortür, riss sie auf und war gerade dabei, sie wieder hinter mir zu schließen als die Welt unterzugehen begann.
Es war als würde mein Kopf zusammen mit dem Dynamit in die Luft fliegen. Ich wurde in den Tresor hinein geschleudert, der den Steinen sei Dank groß genug für so einen Kerl wie mich war und verlor das Bewusstsein als ich mit dem Schädel gegen die metallene Rückwand des Tresors aufschlug.
Das wichtigste war jedoch, das ich auch wieder zu mir kam!
Ich stöhnte und regte mich, hustete und schnappte nach Luft. Auutsch...oouuu...
Mir war der Leuchtstein abhanden gekommen denn als ich wieder in der Lage war, die Augen zu öffnen, blieb es dunkel, weswegen es mir erst ein wenig schwer fiel, mich zu sortieren. Arme, Beine, Kopf, Hintern...scheint noch alles dran  zu sein... Ich setzte mich langsam auf und tastete nach der Tür, die verflucht heiß war, weswegen ich die Hände erst wieder zurück zog und es, trotz der Gliederschmerzen hin bekam, das Bein anzuheben und anzuwinkeln, den Fuß gegen die Innenseite der Tresortür zu stellen und sie zu versuchen, aufzutreten.
Es brauchte ein paar Versuche und davon auch ein wenig hartnäckigere, weil die Tür verbeult war, doch irgendwann gab sie schließlich nach und schwang auf. Ich stolperte aus dem Tresor und fiel direkt wieder auf die Knie, rang nach Luft...und begann direkt wieder, zu husten, weil die gesamte Höhle voll mit Rauch war. Glücklicherweise entdeckte ich ein schwaches Glimmen in der Nähe und kroch auf allen Vieren darauf zu. Es war ein Stück des Leuchtsteins...aber selbst mit Licht, konnte ich hier nicht viel sehen, weswegen ich weiter kroch und mich versuchte, zu orientieren. Da war ein Luftzug, der bereits nach wenigen Momenten stärker wurde. Der Rauch lichtete sich...und dann entdeckte ich das erste Stück freuen Sternenhimmel. Naja eigentlich war es ein Baum und ich bildete mir ein, weit oben den Sternenhimmel zu erkennen, aber...es hat geklappt!
Ich rappelte mich wieder auf die Beine und kramte nach dem Beutel, den ich zuvor in meiner Tasche verstaucht hatte und zog ihn hervor. Bevor ich jedoch den Inhalt heraus holte, stakste ich durch die Trümmer der Höhle und ein Stück nach draußen. Nach Rin rufen schaffte ich gerade nicht, doch das war vielleicht auch ganz gut so, denn ich hatte diese Typen nicht vergessen. Eigentlich wünschte ich ja niemandem was schlechtes, aber...hoffentlich hats die für 'ne Weile von den Beinen gerissen...
Ich blinzelte heftig und mit tränenden Augen. Wo war die Kleine? Hoffentlich gings ihr gut.

Angespannt wartete ich, den Blick auf das Loch im Boden gerichtet, den Leuchtstein wieder etwas angehoben, damit ich besser sehen konnte. Hören konnte ich nichts, dafür waren die nächtlichen Waldgeräusche zu laut, und während der nächsten Momente, in denen ich ungeduldig wartete und sich auch nichts tat, wurde ich unruhiger. So lange konnte das doch nicht dauern...! Wo bleibt er denn?
Ich hatte keine Ahnung wie lange diese Schnüre brauchten um abzubrennen, aber Rave musste doch eigentlich kurz nach mir kommen, und er kam nicht...
Gerade als ich begann zu überlegen, was ich jetzt tun sollte, passierte es.
Ein ohrenbetäubender Knall zerriss die Nacht, gleichzeitig explodierte alles im wahrsten Sinne des Wortes... Ich hatte die Kraft der Explosion unterschätzt und stand nicht weit genug weg, außerdem hatte ich ja noch auf Rave gewartet, daher wurde ich von der plötzlichen Wucht und einer Druckwelle, die mit aufstiebender Erde einher ging, nach hinten geworfen und landete auf dem Boden. Der laute Knall ließ ein Fiepen und einen merkwürdigen Druck in meinen Ohren zurück, und einige Momente lang war ich ganz benommen... Es waren mehrere kleinere Explosionen, die kurz nacheinander kamen, sodass ich gar nicht hochkam und auch gar keine Zeit hatte etwas zu machen oder mich überhaupt wieder zu sammeln. Ich konnte wegen dem ganzen Staub in der Luft auch nichts sehen...
Das einzige das ich außer der Explosion deutlich wahrnahm, war der vielstimmige, für Menschen unhörbare Ruf der Waldtiere, die in der Nähe gewesen waren und nun panisch flüchteten, ihre Artgenossen warnten oder um Hilfe riefen. Die vielen, sich überlappenden Stimmen verwirrten mich noch zusätzlich, sorgten aber auch dafür, dass ich wach blieb. Und dass mir kurz darauf ein Gedanke durch den Kopf zuckte: Rave!!
Ich musste husten und versuchte mich aufzurappeln, konnte immer noch nicht richtig hören von dem Knall und meine Orientierung war auch noch ziemlich benommen. Aber die aufgespritzte Erde hatte sich gelegt und auch der Rauch verzog sich langsam, sodass ich im gespenstischen Licht des Leuchtsteins, der unweit von mir auf dem Boden lag, langsam wieder etwas erkennen konnte. Ich drehte mich um und krabbelte etwas unbeholfen näher zu dem Loch hin, sammelte unterwegs den Leuchtstein auf und sah dann als ich ein Stückchen näher war, dass das Loch wirklich deutlich größer geworden war. Ein Krater war entstanden und überall lagen Erdklumpen herum. Und da...
"Rave!", brachte ich halb hustend, aber deutlich erleichtert hervor und rappelte mich stolpernd auf, um die Arme um ihn zu schlingen. Ich war noch etwas unsicher auf den Beinen, aber ich war einfach nur froh, dass er nicht tot war.

Erst, als ich meinen Namen hörte, merkte ich, das mir von den lauten Explosionen noch immer ganz schön der Kopf klingelte; ich kniff die Augen zusammen, zog die Schultern hoch und fuhr mir mit der schmutzigen Hand übers Gesicht, um meine Gedanken wieder zusammen zu bekommen. Ich fühlte mich als hätte man mir einen Hammer um die Ohren gehauen. Oder als hätte mein Onkel mir ordentlich eine gefeuert.
Ich zuckte zusammen als Rin dann auch schon da war und die Arme um mich legte und gab dabei einen zerknautschten Laut von mir, der aus einer Mischung aus Erleichterung und Schmerz bestand. Ich hob den Arm, in dessen Hand ich den Stoffbeutel hielt und drückte die Kleine an mich. Was'n Glück, sie kann noch lauf'n...
Ich atmete hustend aus und versuchte, mich wieder zu sammeln. Wir waren noch nicht überm Berg, die Kerle konnten sich jeden Augenblick wieder berappeln oder von sonstwo auftauchen.
"Alles gut?", schaffte ich es schließlich, halbwegs verständlich zu fragen. Ich drückte Rin mit der freien Hand von mir, damit ich sie einmal von oben bis unten mustern konnte. Arme, Beine, Kopf...jah, das sah ungefähr so aus wie ich mich fühlte. War noch alles dran. Gut!
Sobald ich sicher gegangen war, das mit ihr alles soweit klar war, hob ich den Blick und sah mich um. Die Explosion hatte ein schönes, wenn auch hässliches Loch in die ehemalige Höhle gesprengt, die an für sich nicht mehr wiederzuerkennen war. Überall lagen Trümmer, Erde, Dreck und irgendwelche Gegenstände herum, die die Explosion fort geschleudert hatte. Der hintere Teil der Wand mit dem Durchgang zum Laden stand noch, doch der Gang war größtenteils unter einer Schicht Erde verschüttet. Nichts, was ein Manoah innerhalb kurzer Zeit wieder beiseite schaffen konnte, wie mir bewusst war.
Davor befand sich der Haufen, unter dem mein Gleiter vergraben war. Ah!
Ich stakste auf ihn zu, stopfte den Beutel zurück in meine Manteltasche und begann, den Gleiter von den Trümmern zu befreien, die ich um ihn herum drapiert hatte oder bei der Explosion auf ihm gelandet waren. Ich stellte jedoch schnell fest, dass meine provisorische Schutzvorkehrung zumindest einigermaßen geholfen hatte und sich noch mehr oder weniger dort befand, wo ich sie hin befördert hatte. Für eine nähere Visite blieb gerade jedoch keine Zeit, weswegen ich nun wieder energischer dabei war, den Gleiter frei zu räumen. Wenn Rin gerade gut genug beisammen war, half sie eventuell auch und es ging schneller.

Obwohl ich Rave so fest an mich drückte - oder mich an ihn - wie ich gerade konnte, war ich noch immer recht benommen und hatte nicht genug Kraft, mich dagegen zu stemmen, als er mich schließlich wieder ein Stück von sich weg schob, um mich anzusehen. Ich hob den Blick zu ihm. Wir waren beide ziemlich schmutzig und er sah genauso durcheinander aus wie ich mich fühlte. Seine Stimme drang nur dumpf an meine klingelnden Ohren, aber anhand seiner Lippenbewegungen konnte ich mir in etwa denken, was er fragen wollte, und nickte nur stumm als Antwort. Ich traute meiner Stimme gerade nicht.
Das war echt ganz schön viel für eine Nacht... Und das obwohl ich ein unruhiges Leben gewohnt war!
Daher war ich auch immer noch ein wenig überfordert und noch nicht in der Lage, wirklich nachzudenken, wie es weitergehen sollte. Ich hatte für den Moment unsere Verfolger auch ganz vergessen.
Deshalb rührte ich mich auch in den ersten Augenblicken noch nicht, während Rave sich umdrehte und dann zurück in den Krater hinein stapfte. Ich starrte ihm nur hinterher, aber als ich registrierte, dass er begann den Gleiter auszugraben, und mir wieder einfiel warum wir das ganze überhaupt gemacht hatten, kehrte langsam wieder Leben in mich zurück und ich setzte mich in Bewegung, um ihm zu folgen. Ich fühlte mich immer noch etwas benommen und mein Kopf tat weh und mir war schwindelig, sodass ich auf dem unebenen Boden ein wenig wankte, aber ich erreichte trotzdem ohne Probleme den Gleiter, der unter einer Schicht Erde und den Schutzvorrichtungen begraben lag. Ohne groß nachzudenken half ich Rave dabei, ihn freizuräumen. Ich war zwar keine besonders große Hilfe dabei, aber so hatte ich wenigstens etwas zu tun und war auch irgendwie froh darum. Einfach weitermachen. Reiß dich zusammen. Du schaffst das, Rin!

Die Kleine und ich gaben gerade wahrscheinlich ein ziemlich erbärmliches Bild ab, wie wir hin und her schwankten und versuchten, uns nützlich zu machen. Naja, immerhin kamen wir auch tatsächlich voran und konnten den Gleiter von seiner provisorischen Schutzvorrichtung und dem Dreck befreien.
Ich wischte mir mit der Hand über die Stirn als wir soweit fertig waren...wobei mein Blick kurz zur Seite glitt und ich die Hand bemerkte, die aus den Trümmern hervor lugte. Ouu... sah so aus, als hätte es einen von ihnen erwischt. Vielleicht...war er aber auch nur bewusstlos...
Ich wandte den Blick ab und versuchte, mir keine Gedanken um den Kerl zu machen. Irgendwie waren sie ja auch selbst dran schuld, oder? Sie hatten uns verfolgt, wir hatten uns nur verteidigt...klingt wie 'ne schlechte Ausrede...
Ich kramte in meiner Jackentasche und zog ein weiteres Mal den Stoffbeutel hervor. Diesmal öffnete ich den Bund des Beutels und streckte die Hand hinein, um den ovalen, in etwa faustgroßen Stein hervor zu ziehen. Er sah einem Bernstein nicht unähnlich, mit der Ausnahme, das in seinem halb durchsichtigen Inneren ein schwaches Glimmen zu sehen war, das sich verstärkte, sobald ich ihn in die Hand nahm. Mein Luftstein reagierte sofort auf meine Windmagie...wir beide waren schon sehr lange ein Team.
Ich atmete tief aus und wandte mich dem Krater zu. So viel Schutt wie noch herum lag, konnten wir nicht starten. Immerhin war ich wieder genug beisammen, um das zu erkennen.
"Okey...Kleine, geh ein Stück zurück, ja? Ich versuch mal, den Weg frei zu machen..." Auch kein guter Plan aber es war das Einzige, was mir einfiel. Wenn wir mit der Hand alles versuchten, wegzuräumen, wären wir morgen noch hier...oder tot.

Ich war zwar vermutlich keine große Hilfe, aber Stückchen für Stückchen kamen wir trotzdem voran und auch wenn ich mich immer noch ziemlich fertig fühlte, hatte ich in den nächsten paar Minuten Zeit, mich wieder ein wenig zu fangen. Wirklich zu Kräften kam ich zwar nicht, aber ich konnte mich immerhin etwas sammeln. Und auch der Schwindel wurde etwas besser.
Ich machte jedenfalls einfach weiter, bis Rave mich schließlich bremste, als wir schon mehr oder weniger das meiste vom Gleiter runter hatten und ich auch langsam nicht mehr so richtig weiter wusste. Soweit ich das beurteilen konnte, war der Gleiter jedenfalls ganz geblieben. Jetzt mussten wir hier nur noch raus...
Inzwischen waren meine Gedanken auch wieder bei unseren Verfolgern, aber bisher schien es eher ruhig zu sein und ich wusste auch nicht, was mit ihnen passiert war. Vielleicht hatte die Explosion sie auch umgehauen...
Ich trat jedenfalls zurück bis an eins der Regale, das von der Explosion umgestoßen worden war, als Rave mich dazu aufforderte. Meine Ohren hatten sich auch ein wenig erholt, aber ich schwieg trotzdem und sah Rave still zu, wobei ich halb an die Seite des Gleiters trat. Was hatte er denn jetzt vor?

Ich warf Rin noch einen Blick zu, um sicher zu gehen, das sie mich überhaupt gehört hatte. Meine Ohren klingelten auch noch immer nach und der Schwindel in meiner Birne war jetzt auch nicht gerade hilfreich, mich auf den Beinen zu halten, aber das Adrenalin half mir dabei, mich einigermaßen zu konzentrieren.
Die Kleine trat zur Seite, sodass ich freie Bahn hatte, weswegen ich mich nun wieder unserer erdachten Flugrichtung zuwandte, die noch immer nicht so wirklich optimal ausgearbeitet war. Aber naja, das würden wir nun auch nicht mehr schaffen, das einzige, was wir brauchten, war Platz zum Durchstarten.
Ich atmete tief aus und zwang mich zur Ruhe, versuchte, mich so gut es ging, zu konzentrieren und begann, meine Windmagie in den Luftstein in meiner rechten Hand zu leiten, so wie ich es immer machte, wenn ich meinen Gleiter benutzen wollte. Ganz davon abgesehen, dass er mir half, die aus Holz und Stahl zusammen geschusterte Konstruktion in die Luft zu bekommen und zu steuern, war mein Luftstein auch noch zu ganz anderen Sachen gut.
Das schwache, gelbliche Glimmen innerhalb des Steins nahm zu und die sich in dem Stein anstauende Windmagie sorgte dafür, dass ein leichter Wind aufkam und begann, um mich herum zu kreisen, die letzten Reste Staub aus der Luft zu vertreiben...ich atmete tief ein und aus...die einigermaßen frische Luft tat meiner brennenden Lunge gut...
Ich hob die Hand mit dem Luftstein an und hielt ihn mit beiden Händen auf Höhe meiner Brust vor mich. Je mehr Windmagie ich in den Stein leitete, umso schwerer wurde es, sie unter Kontrolle zu halten, weswegen meine Hände auch zu zittern begannen und ich die Zähne zusammen biss. Uff, das hatte ich schon ewig nicht mehr gemacht...aber egal, es musste klappen!
Ich keuchte als ich die Windmagie nicht mehr in dem Stein halten konnte, streckte die Arme vor mich und schaffte es, sie in einem halbwegs kontrollierten Kanal durch die Höhle und aus dem gesprengten Ausgang hinaus zu entlassen. Der Windzug riss an meinen Klamotten und das laute Rauschen ließ meine Ohren ein zweites Mal klingeln, doch immerhin klappte das, was ich vor gehabt hatte und der Wind riss die großen Erdbrocken mit sich oder drückte sie aus dem Weg. Hoffentlich bekam die Kleine nichts ab.
Ein paar Sekunden später war auch schon alles vorbei und ich senkte laut atmend die Arme und versuchte, mich auf den Beinen zu halten. Du verbrätst ganz schön viel Energie, Rave...
Doch es war noch immer keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Ich schwankte zu dem Gleiter, stopfte den Luftstein in meine Hosentasche und begann, die angewinkelten Flügel zu entfalten, damit wir durchstarten konnten.

Schweigend beobachtete ich Rave bei dem was er tat, wobei mir kurz darauf auffiel, dass er seine Kräfte benutzte um irgendetwas zu machen. Der Stein begann zu leuchten und dann merkte ich auch bald, dass der Wind auffrischte. Ich trat noch ein wenig weiter zurück bis an die eine Höhlenwand heran, ohne den Blick von Rave zu lassen. Der Wind wurde stärker und ich musste mich bald auch ein wenig davon abwenden und die Augen leicht zukneifen, weil der Wind ganz schön etwas von der losen Erde herumwirbeln ließ.
Und dann entließ Rave das ganze plötzlich in einem heftigen Luftstrom, woraufhin ich mich dann ganz wegdrehte und die Augen schloss. Als ich wieder hinsah, war der Weg ziemlich frei und zumindest der Weg nach draußen sah nicht mehr so chaotisch aus wie vorhin.
"Ja!", jubelte ich und kam wieder näher, jetzt auch mit etwas mehr Energie, auch wenn ich trotzdem noch ziemlich fertig war. Aber genauso war ich erleichtert, dass wir es endlich geschafft hatten! Ich trat an den Gleiter heran, während Rave dessen Flügel auseinander klappte. Ja, so sah der schon viel eher aus, als könnte er fliegen.
Ein Stöhnen aus dem hinteren Teil des Raumes, wo es zu dem Gang in den Laden ging, ließ mich aufhorchen und herumwirbeln. Sehen konnte ich zwar nichts, weil einige halb umgeworfene Regale, die übereinander lagen, den Weg versperrten, aber es brauchte nicht viel Fantasie um sich auszumalen, dass das einer von den Typen war, der gerade wieder zu sich kam. Hoffentlich langsam.
"Schnell!", flüsterte ich hastig und klopfte ungeduldig auf die Seite des Gleiters. Ich wusste nicht was noch zu tun war und auch nicht, ob wir den Gleiter erst nach draußen schieben mussten oder sowas, oder ob wir auch hier einsteigen konnten. Hauptsache wir beeilten uns, bei was auch immer noch fehlte!

Rins kurzer Freudenschrei ließ mich grinsen und auch wenn es nur ein kurzer Moment war, half mir das doch, mich wieder zusammen zu reißen und die letzten Energiereserven aus mir heraus zu quetschen. Ja, wir konnten es schaffen! Aber sowas von!
Im nächsten Moment rutschte mir das Herz zum gefühlt tausendsten Mal für heute in die Hose, als ich das leise Stöhnen hörte. Ich warf einen kurzen Blick über die Schulter, sah mich jedoch nicht genau um, sondern machte mich daran, den Gleiter startklar zu bekommen.
Der erste Flügel war ausgeklappt und der Stoff, unter dem sich der Wind fangen sollte, war ganz gut gespannt, doch der Zweite hakte etwas und ließ sich nicht voll ausfahren, auch nicht, als ich dem Gelenk einen groben Tritt verpasste. Egal, das musste für den Start erst mal so gehen. Es fehlte ja nur ein kleines Stück.
"Setz dich da hinten drauf, Rin. Und bind' dich mit dem Lederriemen fest, ja?" Ich deutete auf den breiten Holzbalken, der quasi den mittleren Teil des Gleiters ausmachte und auf dem sich auch der Pilotensitz befand. Rin konnte sich wie auf einem Bock darauf setzen und die Füße auf einen kleineren Balken stützen, der quer zu dem, auf dem sie saß, verlief. Zum Glück hatte ich ein Holzbrett als Lehne ebenfalls bereits verschraubt, sodass sie auch was im Rücken hatte, doch ein gemütlicher Ritt würde das Ganze sicher nicht werden.
Wenn Rin sich setzte, würde sie vor sich ein Lederband entdecken, das durch ein Loch in dem Balken führte. Eigentlich war die grobe Konstruktion für das Fixieren zukünftiger Pakete und Waren gedacht, doch heute war es eben ein Teenager. Das Lederband war auf jeden Fall stark genug, um sie zu halten, sollte sie aus dem provisorischen Sitz geschleudert werden.
Ich hatte es da schon ein wenig bequemer als sie, denn den Pilotensitz hatte ich bereits im Gleiter montiert, sodass ich mich richtig setzen konnte. Mir würde nach dem Ritt wahrscheinlich auch der Hintern wehtun, aber immerhin.
Insgesamt machte der Gleiter einen noch sehr nackigen und wackeligen Eindruck. Ob ich der Kleinen erzählen sollte, dass das sein Jungfernflug sein würde?
Nah, besser nicht...konnte sie sich sicher denken...
Ich schob die Hand in die Hosentasche und zog den Luftstein wieder heraus, fütterte ihn ein wenig mit meiner Windenergie und schob ihn schließlich in eine Vertiefung aus Metall, die sich neben dem Lenkrad in der Holzkonsole befand. Die Vertiefung für den Luftstein war mit etlichen dünnen Rohren verbunden, die sich durch den gesamten Gleiter zogen. Es wäre zu kompliziert gewesen, jemandem das zu erklären, doch die gesamte Konstruktion half mir dabei, den Gleiter in der Luft zu halten und ihn zu steuern, indem die Energie des Luftsteins durch die Rohre kanalisiert wurde.
Vorausgesetzt der Luftstein besaß genügend Energie. Gerade flackerte er noch ein wenig unzufrieden, doch das würde ich gleich ändern.
Ich drehte mich auf dem Sitz um und warf Rin einen Blick zu, um zu sehen, ob sie sich festgebunden hatte. Notfalls würde ich auch noch einmal zu ihr nach hinten greifen und den Knoten nachziehen, falls mir das Ganze zu locker aussah.

Ich wartete praktisch nur darauf, dass Rave mir sagte was ich tun sollte, denn alles war besser als hier rumzustehen und selbst nichts machen zu können. Daher kletterte ich auch gleich flink in den Gleiter hinein, als Rave mir das OK zum Einsteigen gab, und platzierte mich auf dem zweiten Sitz - sofern man das Sitz nennen konnte - hinter der Stelle, wo Rave sitzen würde. Da ich so klein war, kam ich mit den Füßen nicht auf das dafür vorgesehene Brett heran und daher baumelten meine Beine einfach frei an den Seiten des Balkens. Bequem war es wirklich nicht, aber gerade hatte ich auch ganz anderes im Kopf und beeilte mich daher, nach dem Lederriemen zu angeln und mich damit irgendwie festzubinden, soweit das ging. Naja, besonders sicher fühlte ich mich hier nicht, aber ich wollte mich mal nicht beschweren. Hauptsache wir verschwanden endlich von hier!
Währenddessen war Rave auch eingestiegen und hatte den Luftstein in den Gleiter gesetzt. Ich wusste zwar kaum etwas übers Fliegen, aber soviel wusste ich auch, dass der nötig war. Ich erinnerte mich da auch noch an ein haarsträubendes Abenteuer in den Minen von Lasaliel, als ich klein gewesen war... Brr...
Ich nickte Rave zu, als er sich noch einmal zu mir umdrehte, wie um sicher zu gehen dass alles in Ordnung war. "Fertig!", verkündete ich dabei und ließ ihn meinetwegen auch nochmal nach meinem Knoten sehen, bevor ich mich da festhielt wo ich eben gerade drankam, also an Raves Sitzlehne vor mir. Doch, ich war ganz schön aufgeregt. Und das war nicht nur die Nervosität wegen den Geräuschen, die von dem aufwachenden Mann irgendwo in der Ecke kamen. Irgendwie freute ich mich auch auf ein neues Abenteuer.

(Wenigstens eine, die sich freut xDD)

Jap, es sah mir gerade definitiv zu locker aus, weswegen ich tatsächlich noch einmal Hand anlegte und den Gurt fest zog. Nicht, dass sich da noch viel tat, aber ich wollte wirklich nicht miterleben, wie die Kleine vom Gleiter segelte, nur weil ich zu blöd gewesen war, nachzuschauen, ob sie gut genug befestigt war.
"Alles klar! Dann halt dich gut fest, das wird ein holpriger Start!" Ich drehte mich wieder nach vorne, atmete noch einmal tief durch, stemmte die Füße gegen das Holzgerüst, um nicht gleich selbst von der Schubkraft vom Gleiter geworfen zu werden und legte meine Hand über den Luftstein, in den ich nun in sehr sehr kurzer Zeit eine sehr große Menge Windmagie leitete.
Es knirschte an allen Ecken und Enden als der Gleiter zum Leben erwachte und vom Boden abhob. Gerade rechtzeitig, denn hinter uns kämpfte sich eine lädierte Gestalt aus den Trümmern oder vielleicht auch dem halb verschütteten Tunnel heraus und torkelte in unsere Richtung, weil ihr gerade klar wurde, das die Kleine und ich das Weite suchen wollten.
Ich hörte die Geräusche nur, warf aber nur einen kurzen Blick über die Schulter und zog direkt an einem Hebel, der die Windenergie in dem Luftstein kanalisierte...und explosionsartig aus der Rückseite des Gleiters entließ.
Wir schossen nach vorne und aus dem gesprengten Loch heraus und ich riss mit aller Kraft an der Lenkung, um die Nase des Gleiters nach oben zu bringen, biss die Zähne zusammen und gab dabei eventuell auch einige angestrengte Laute von mir, die in dem Scheppern, Summen und Zischen des Gleiters und des Winds jedoch unter gingen. Ein dicker Baumstamm raste knapp an uns vorbei, dann befand sich der Gleiter in einem sehr steilen Kurs nach oben...
Wir schossen zwischen die Baumkronen hinauf in den Himmel, doch ich wagte es noch nicht, mich zu entspannen. Der eine Flügel hatte sich noch nicht vollends entfaltet, was es mir schwer machte, den Kurz gerade zu halten. Einige Schläge zur Seite und der Flugwind behoben das Problem allerdings; die Scharniere des Flügels knackte und rastete ein...und mit einem Mal schnurrte der Gleiter unter uns und die turbulenten Vibrationen, die uns durchgeschüttelt hatten, ließen nach, auch wenn sie nicht völlig verschwanden.
"Ha! HAHAHA! Wir habens geschafft!!!", rief ich und lachte laut los. Bei allen heiligen Steinen! Ich flog wieder! Ich saß mit meinem Hintern auf meinem fliegenden Gleiter!!! Und er stürzte NICHT ab!!!
Noch nicht, jedenfalls.

(XDD Kinder ^^)

Ich ließ Rave meinetwegen nochmal nach diesem Gurt sehen, bis er zufrieden war; Hauptsache, wir konnten endlich los, denn ich wollte nicht hier sein, wenn der Typ sich aus dem Chaos hinter uns befreit hatte. Dass ich mich festhalten sollte, brauchte Rave nicht weiter zu sagen, denn ich tat es sowieso, oder versuchte es zumindest.
Kurz darauf verrieten die Geräusche, dass der Gleiter sich in Bewegung setzte, direkt bevor ich auch plötzlich spüren konnte, wie er vom Boden abhob. Whoaaah, das war ja so aufregend! Ich lehnte mich zuerst auf die eine und dann auf die andere Seite und sah über den Rand des Gleiters hinweg, soweit ich eben konnte, um auf den Boden zu sehen, der jetzt irgendwo unter uns lag. Dabei konnte ich jetzt auch den Typen erkennen, der sich da hinter den Regalen befreit hatte und noch ziemlich benommen hervortorkelte.
Gerade rechtzeitig ging es dann auch schon los. Der Start war tatsächlich heftiger, als ich es erwartet hatte, und ich wandte den Blick wieder nach vorne und klammerte mich an Raves Sitz fest, weil ich mich wirklich alles andere als sicher hier fühlte und jetzt schon so ein bisschen Angst aufkam, aus dem Gleiter geschleudert zu werden. Sowas wie das hier hatte ich noch nie erlebt, oder vielleicht schon, letztes Mal mit Rave, aber dass es so abging, daran erinnerte ich mich nicht mehr. Vielleicht war der Gleiter hier ja auch anders gebaut oder so.
Es war auch tatsächlich in den ersten Augenblicken ziemlich brennzlig, oder sah zumindest so aus, denn als wir aus dem Loch heraus schossen, wären wir fast gegen einen Baum geknallt, wobei mir ein kurzer Aufschrei entfuhr. Ich hatte mich auch etwas nach vorne gekauert, um besser Halt zu haben, vor allem als es dann aufwärts ging und ich wirklich das Gefühl hatte, fast rauszufallen.
Und dann frischte der kalte Wind plötzlich noch mehr auf, als wir zwischen den Baumkronen herausflogen und der Gleiter eine angenehmere Flugposition annahm. Es wackelte zwar noch ziemlich und als Rave irgendwas mit dem Flügel machte, fürchtete ich schon, dass irgendetwas schief gelaufen war, aber dann gab es einen Ruck und der Flug wurde plötzlich ruhiger.
Ich wagte es, mich wieder etwas aufzusetzen, ohne aber die Hände von meinem Halt zu nehmen. Raves Jubel steckte mich aber ziemlich schnell an und ich stimmte mit ein. "Juhuuuu!! Jaaa! Wir fliegen!", rief ich und streckte sogar die Hände in die Luft. Oh ja, jetzt wo alles ruhig war, war es auch wirklich toll! Auch wenn es echt kalt war hier oben, sehr viel kälter als am Boden. Aber ich war gerade auch viel zu erleichtert und warf einen Blick nach unten. Da waren nur Bäume zu sehen. Alles dunkel. Wir hatten die Verfolger jetzt wirklich abgehängt!

(xD)

Ich grinste breit als Rin in mein Gejubel einstimmte, erstens, weil ich mich wirklich freute und zweitens, weil sie noch da war und nicht raus gepurzelt war. Ich wollte gar nicht wissen, wieviel Glück ich an diesem Abend für mein restliches Leben verspielt hatte. Wir hatten auf jeden Fall nicht nur einen Schutzgeist auf unserer Seite gehabt!
Das ganze Adrenalin, das mir durch die Adern pumpte un die Euphorie darüber, das ich wieder flog, vertrieben für einen wunderbaren langen Moment sämtliche Sorgen und Ängste. Ich warf einen Blick seitlich durch das Gerippe des Gleiters hinunter und sah die Baumwipfel vorbei ziehen. Hier und da meinte ich, eine Lichtquelle zu erkennen, die eines der Baumhäuser verriet oder vielleicht sogar einen Bewohner Cerns, der noch auf den Beinen war. Mir wurde mit einem Mal klar, dass es das hier für mich gewesen war. Ich würde nicht mehr zu meinem Baumhaus zurückkehren, jedenfalls vorerst nicht mehr. Wahrscheinlich würde es auch lange dauern, bis ich wieder einmal nach Cern kam...ob Missi klar kommen wird?...
Ich atmete tief aus und justierte unsere Flugroute, während ich mich allmählich wieder beruhigte. Nordosten, das musste die Richtung sein, in die wir aktuell flogen. Auf jeden fall irgendwo in Richtung Lago-Jun... wenn ich die Sternbilder gerade richtig deutete...
Noch spürte ich es nicht oder verdrängte es vielleicht sogar, aber ich hatte jede Menge von meiner Energie verpulvert und die Quittung würde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Es war wichtig, so viel Abstand zwischen uns und diesen fremden Schlägertypen zu bringen wie wir nur konnten...außerdem befand sich unter uns der Cern-Wald. Hier gab es nirgendwo eine Möglichkeit zu landen, ganz davon abgesehen, dass es noch immer stockfinstere Nacht war und ich gerade einmal den nächtlichen Sternenhimmel von dem Meer aus Bäumen unter uns unterscheiden konnte. Wir hatten also gar keine andere Wahl als weiter zu fliegen. Wir waren noch lange nicht aus dem Schneider...auch wenn es sich gerade nicht so anfühlte.
Für mich war gerade jedenfalls noch alles Tutti, denn wir flogen immerhin!
Es verging eine gute Viertelstunde, bis ich es schließlich spürte. In meinen Gliedern machte sich die Erschöpfung breit und es fiel mir schwerer und schwerer, den Luftstein mit meiner Windmagie zu füttern. Der war auch noch längst nicht aufgeladen und flackerte unaufhörlich. Kein gutes Zeichen...Nicht ghuuut...garnichghuuut...
...
Ich riss die Augen auf als ich spürte, wie die Unterseite des Gleiters einen Baumwipfel strreifte und dadurch leicht ins Trudeln geriet. Automatisch legte ich die Hand an den Luftstein und pumpte mehr Windmagie in ihn hinein, auch wenn es mir schwer fiel, weil einfach nicht mehr viel davon übrig war. Oh man...hatte ich gerade einen Sekundenschlaf??? War ich ohnmächtig geworden?!?!
Ich schluckte und legte die Hände fester um den Lenker. So eine Scheiße...mach ja nich' nochmal dei Augen zu, Rave!

Sobald ich genug gejubelt hatte und es langsam wirklich kalt wurde hier oben, zog ich meine Jacke an und schlug den Kragen hoch. Es war schon ziemlich aufregend, wieder zu fliegen, auch wenn es ehrlich gesagt nach einer Weile nicht mehr ganz so gemütlich war, hauptsächlich wegen dem unbequemen Sitz und wegen der Kälte. Außerdem war es echt dunkel hier... Nur die Sterne leuchteten überall.
Ich wollte Rave schon fragen, wohin wir jetzt eigentlich flogen, als ich plötzlich einen Ruck spürte und der Gleiter daraufhin anfing zu schwanken, dass ich einen erschrockenen Laut von mir gab und mich wieder an dem Sitz vor mir festklammerte.
"Was war das?", fragte ich Rave, der den Gleiter schnell wieder unter Kontrolle gebracht hatte. Irgendwas stimmte nicht. Ich warf einen Blick nach unten. Alles voller Bäume... und viel mehr war auch nicht zu sehen. "Wo fliegen wir eigentlich hin?"

Rin hatte natürlich gemerkt, dass der Gleiter ruckelte. "Turbulenzen", erwiderte ich schnell, weil ich die Kleine nicht beunruhigen wollte, indem ich ihr sagte, wie sehr mir die ganze Aktion bereits an die Substanz gegangen war und mir nicht mehr viel Energie übrig blieb. Ohne sie hinten im Gepäck wäre ich wahrscheinlich schon längst irgendwo abgestürzt.
Etwas länger dauerte meine Erwiderung auf ihre zweite Frage, die sich darum drehte, wohin wir eigentlich flogen. "Ich...bin mir nicht sicher", sagte ich und seufzte. Es brachte ja auch nichts, so zu tun als wäre alles super oder als hätte ich alles so durchdacht, dass wir sicher und ohne Umschweife nach Lago Jun fliegen würden...
"...ich weiß, dass die Richtung in etwa stimmt...aber ich bin mir nich' sicher, wo wir uns gerade befinden...", gab ich schließlich leise zu, wobei meine Stimme jedoch nach wie vor laut genug war, damit die Kleine mich verstand.
"Und ich weiß nich', wie lang ich uns noch in der Luft halten kann." Ich schluckte. So, jetzt war es raus. Vielleicht hatte Rin ja auch eine Idee, wie wir hier raus kamen ohne eine Bruchlandung im grünen Dach des Waldes hinzulegen... Lange würde ich es jedenfalls nicht mehr aushalten... Und der Luftstein auch nicht. Das Flackern, das den Energienotstand in dem Stein signalisierte, wurde jede Minute deutlicher. und ich hatte einfach kaum noch was übrig, um es ihm geben zu können...ganz toll Rave. Ihr seid entkommen und jetzt sterbt ihr bei 'nem Absturz...naja...immer noch besser als von Unbekannten mit Pfeilen erschossen zu werden...glaub ich...

>>> Cern-Wald (bevor ichs wieder komplett vergesse ^^")

"Turbo-was?", wollte ich wissen, denn natürlich hatte ich keine Ahnung vom Fliegen und was es da so gab. Was auch immer es war, es klang nicht besonders gut, oder besser gesagt, es hatte sich nicht besonders gut angefühlt.
Ich merkte auch, dass Rave selbst nicht so ganz überzeugt schien von dem ganzen. Außerdem hatte ich eigentlich angenommen, er wusste wo wir hin mussten, aber... das klang eher nicht so.
Erschrocken lehnte ich mich nach vorne, als Rave verkündete, dass er nichtmal wusste, wie lange wir noch fliegen konnten. "Was!?" Mein Blick huschte dahin, wo der Stein in einer Vertiefung einsetzt war. Okay, das Flackern sah wirklich nicht gut aus... "Aber... aber heißt das, wir müssen landen? Oder... Wir... Können wir das denn?" Ich sah überall nur Bäume, aber... wir würden doch nicht abstürzen, oder?!
Wieder warf ich einen Blick hinab auf den dunklen Wald und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Der Wald war so gruselig... Ich dachte an meine Reise nach Cern, die war schrecklich gewesen. Wie sollte ich das denn nochmal überstehen? Und diesmal...
Ich klammerte mich vorne an Raves Sitz fest und sah lieber wieder zu ihm und nach vorne anstatt nach unten. "Wir stürzen doch nicht ab, oder? Können wir nicht... irgendwo hin? Gibt's hier nicht irgendwo ein Dorf oder so?" Alles, nur nicht bei finsterer Nacht in diesem unheimlichen Wald! Oh, und am besten ohne dabei runter zu fallen!

----> Cern-Wald (yes XD)