Wer Wind sät, wird Feuer ernten

Arrow ließ den anderen jungen Mann in Ruhe. Er vermied es, über andere zu urteilen. Er vermied es auch, anderen etwas reinzureiben. Wenn es Zaire doch nicht so gut ging, wie er behauptete, war das zunächst mal dessen Problem, und wenn es doch in Ordnung war und Arrow nur von anderem ausging, dann war doch auch alles okay. Nur, wenn es zu Arrows Problem wurde, weil er sich um Zaire kümmern müsste. Dann wäre es nicht so okay.
Zaire war vermutlich jemand, den man wie Arrow auch gemeinhin als gutaussehend bezeichnen würde, auch wenn es deutliche Unterschiede zwischen ihnen in Hautfarbe, Gesichtszügen und auch der Statur gab. Arrow war keine Frau und stand nicht auf Männer - dementsprechend lag sein Fokus weniger auf der Ästhetik oder Merkmalen über die Herkunft als mehr auf den Anzeichen für Müdigkeit und Erschöpfung im Gesicht des anderen.
"Am besten heute noch. Spätestens vor Sonnenaufgang morgen früh", antwortete er auf die erste Frage. Die Reaktion auf die Kopfverletzung war ihm nicht entgangen, doch auch diese blieb unkommentiert, da der Zustand der Wunde wohl für sich sprach. Zaire hatte es nicht mit einem Menschen zu tun. Nicht mit einem ganzen jedenfalls.
Arrows Augenbraue hob sich leicht wegen des Kommentars, ehe er blinzelte und den Blick aus Zaires Gesicht wieder abwandte, ohne dass dies irgendetwas besonderes zu bedeuten hatte. Höchstens, dass er die Wärme am ... oder im Kopf spürte und sie als angenehm empfand. Mittlerweile war er ein angenehmer Patient. Er ließ den anderen gewähren und regte sich nicht weiter. "Kurier, ja." Paketbote wäre ja fast schon schön. "Das Pferd ist mit Waren weggerannt, die unbedingt rechtzeitig in Anan ankommen müssen..."

Es blieb still zwischen den beiden Männern, nachdem Arrow seine Antworten auf die Zaires Fragen abgegeben hatte. Er wunderte sich nicht wirklich darüber und man konnte dem anderen anmerken, dass er konzentriert war. Sehr gesprächig war er selbst nicht und hatte auch kein Interesse daran, Zaire in seinem Tun abzulenken. Schließlich wollte er, dass er eine ordentliche Arbeit hinlegte, wenn er ihn schon heilen wollte. Besonders, da es seinen Kopf betraf. Der Heiler bei der Feuerarena hatte gesagt, dass er gegen Gehirnerschütterungen nichts tun konnte. Bei Zaire war das anders - aber das bedeutete nicht, dass Arrow Bock auf Pfuschereien an seinem Hirn hatte.
"Ist kein Hobby von mir", gab er zurück, als der junge Mann die Hände zurückzog und meinte, dass er wiederhergestellt sei, wenn er sich den Kopf nicht noch mal anschlug. Mit dem gesundenden Körper kehrte also auch die zuweilen etwas zu spitze Zunge zurück. Aber eben auch die Vernunft.
Er seufzte leise und fühlte einen Moment lang der Wärme nach, die aus seinem Kopf heraussickerte. Die Nebelschwaden und das Wattegefühl darin waren soweit verflogen, dass nur Erschöpfung und Müdigkeit, aber keine Bewusstseinstrübung zurückblieben. Seine Glieder fühlten sich schwer an.
"Glaub mir, ich hab auch keine Lust, bei dem Wetter und alle nach einem Pferd zu suchen. Aber ich hab noch weniger Lust, meinen Job zu verlieren." Und bis an mein Lebensende hoch verschuldet oder gleich im Gefängnis oder ohne Kopf zu verbringen, fügte er gedanklich hinzu. Aber er würde kein Wort über den Wert der Fracht verlieren. Er kannte Zaire nicht und die Bereitschaft, jemandem in Not zu helfen, bedeutete nicht gleich die Abwesenheit von Geldgier. Mit den Schmuckstücken könnte er sich eine Villa und wahrscheinlich auch mehrere persönliche Diener leisten - oder wonach auch immer jemandem der Sinn stand. Und davon mal abgesehen war Arrow zu Verschwiegenheit verpflichtet, was Kundschaft anging.
"Danke", sagte er nach einem weiteren Moment. Er drehte den Kopf vorsichtig, Schmerz und Schwindel blieben aus, sein Blick glitt in Richtung der Stelle, wo es nach draußen ging, wäre der Eingang nicht vor dem Sturm verschlossen. "Ich bin nicht ganz sicher, an welcher Stelle sie mir abgehauen ist. Zwischen zwei und vier Stunden." Er hätte es locker bis zum Abend nach Anan geschafft, wäre der Sturm nicht gewesen. Mittlerweile war es sicher längst dunkel. Das Aufwachen, das Heilen hatten Zeit in Anspruch genommen. Zaire wollte, dass er noch gut zwei Stunden dranhängte. Wahrscheinlich wäre es dann kurz vor oder um Mitternacht? Vielleicht etwas eher. Dann noch das Pferd finden, das überall und nirgends sein konnte. Und dann hoffen, dass der Sturm weg war und die Stute ausgeruht genug, dass sie ihn zügig nach Anan tragen konnte.
Eine knappe Geschichte.
"Mit deiner Hilfe könnte ich es schaffen." Sein Blick glitt zu Zaire zurück.

Eine schmale Falte tauchte auf seiner Stirn auf, die dank des fehlenden Verbandes unter seinem Schopf nun nicht mehr wirklich zu sehen war. Dafür hob sich seine einer Mundwinkel leicht, sodass man ein schwaches schiefes Lächeln auf seinen Lippen erkennen konnte. Ja... Konnte man meinen, dass er sich gern von Ästen ausknocken und von Pferden halb tottrampeln ließ. Besonders, wenn man wusste, dass er sich offensichtlich in der Vergangenheit nicht gerade selten verletzt hatte.
Arrow war eben schon aufgefallen, dass Zaire vor der Behandlung der Kopfwunde etwas aus diesem Fläschchen getrunken hatte, scheinbar ohne dass es etwas mit dem Heilen selbst zu tun hatte. Jetzt trank er erneut daraus. Und es war kein Wasser, denn davon hatte er ihm etwas aus der Feldflasche gegeben und dann selbst davon getrunken. Gerade wieder. Aber auch hier fragte er nicht nach. Das Interesse war nicht groß genug und das Wissen zu gering, ob es ihn möglicherweise nichts anging.
"Hab ja noch ein bisschen Zeit", kommentierte er und machte dementsprechend erst einmal keine Anstalten, sich aufzusetzen. Vielleicht in ein paar Minuten, um auszutesten, was der Körper und der Kopf dazu sagten, ehe er sich eine Runde Schlaf gönnte. Er kannte die Signale seines Körpers und hörte normalerweise darauf, wenn ihn die Umstände zu nichts anderem zwangen. Und wenn Zaire noch warten wollte oder ihn sonst noch festband, konnte er die Zeit genauso gut für Erholung nutzen.
"Keine Ahnung, ich hab sie bisher noch nicht verloren", gab er zu, als der andere in Erfahrung bringen wollte, ob Gavotte ein braves Herdentier oder ein dämliches Fluchttier war. "Jedenfalls bleibt sie nicht stehen und wartet, wenn sie merkt, dass sie plötzlich alleine ist."
Nein, der Gaul war einfach kein zuverlässiges Reittier, das sich Sorgen um seinen Besitzer machte, wenn es merkte, dass es von nun an auf sich alleingestellt war. Manchmal wüsste er wirklich gerne, was in seinem Schädel vor sich ging. Vielleicht hätte er damals auf den Verkäufer hören und sich ein anderes Tier aussuchen sollen.

Auch nach dem Buch und dem, was hineingeschrieben wurde, wurde nicht gefragt.
"Patient ist dämlich und will verletzt nach einem Gaul suchen" wird gerade ersetzt durch "Patient ist geheilt und im Drogenrausch der Schmerzmittel handzahm geworden", überlegte er sich, während sein Blick die schreibende Hand streifte.
"Klingt so, als könnte Farasha ihre Schwester sein. Oder ihre Mutter." Wenn das Pferd von Kjubika stammte jedenfalls. Diesmal formte sich ein deutlicher sichtbares schiefes Lächeln auf seinen Lippen, das allerdings auch ein wenig zynisch wirkte. Wie schön, dass sie beide mit Teufelsmähren gesegnet waren. Vielleicht zogen die sich ja magisch an.
"Vielleicht nicht. Der Boden war ziemlich matschig, Hufspuren könnte man noch sehen." Vor allem, wenn ein panisches 5-600 Kilo-Pferd seine Hufe in den weichen Boden rammte. Hoffentlich hatte Gavotte sich nicht langgelegt und alle Beine gebrochen. Auch das wäre ein Problem.
Das Kratzen der etwas zerfledderten Feder hielt kurz inne, ehe es noch einmal für einen Moment zu hören war und Zaire dann noch etwas hinzufügte. "Ich hoffe nicht und ich bezweifle es auch. Sie lässt sich von fremden Leuten nicht so einfach einfangen oder beruhigen. Manchmal hab ich schon Schwierigkeiten damit."
Seine Liste an Beschwerden über die Stute war lang - man mochte sich wirklich fragen, warum er sie überhaupt besaß. Aber auch, wenn Arrow mit Tieren grundsätzlich nicht viel am Hut hatte, verband ihn mit Gavotte eine Geschichte. Sie hatte ihn erfolgreich von Kjubika runtergebracht, sie war verdammt schnell und sie blühte genauso auf, wenn sie über die weiten Ebenen fliegen konnte, wie er es tat. Auch wenn er das nie zugeben würde.
"Man würde mir die ganzen Sachen ganz bestimmt nicht rausrücken, wenn sie wer gefunden hat", fügte er hinzu, um zu erläutern, warum er hoffte, dass niemand den Gaul gefunden hatte. Auch wenn es die Suche vielleicht hätte beschleunigen können. "Manchmal hört sie, wenn ich pfeife. Und ich würde schon den Weg zurück nach Anan einschlagen, wenn wir keine Spuren finden. Sie ist nicht dämlich, sie weiß, wo sie versorgt wird."

Ein leiser Laut drang aus Arrows Kehle. Es war ziemlich selten, dass jemand sein Lachen zu hören bekam, und tatsächlich hielt das Geräusch auch nur für eine Art Auflach-"hn" - immerhin mehr als die meisten anderen Leute bewerkstelligten, ihm zu entlocken. Ein netter leiser Laut, dank seiner vollen und angenehmen Stimme. Auch wenn er trotzdem sofort wieder verraucht war und seine Miene wieder der verschlossenen Neutralität Platz machte.
"Ich weiß nicht, ob jemand sich dafür die Mühe machen würde, der gerade nicht auf der Suche nach einem neuen Pferd ist", gab er auf die Bedenken des anderen zurück. Ein krachender Donner und helles Licht folgte sogleich, sodass er kurz schwieg und das aufgeregte Wiehern des Pferdes draußen noch verhallen ließ. "Und ich hoffe einfach, dass der Sturm sich in zwei Stunden gelegt hat und sie mich hören kann." Dem Ereignis gerade draußen zum Trotz musste das ausgesprochen werden. Eine Art Schulterzucken folgte, das wegen der Decke, die bis hoch über seinen Hals reichte, nicht besonders gut zu sehen war.
Lasaliel hing besonders im Herbst und im Winter leider häufig in den Wolken der Tiefdruckgebiete herum, aber da das Wetter vorher so gut gewesen war und so plötzlich umgeschlagen war, statt allmählich in Regen überzugehen, ging er davon aus, dass der Sturm rasch vorbeiziehen würde. Er kannte die Wetterbedingungen hier oben recht gut, auch wenn es vor den mittlerweile zwei Jahren seines Aufenthaltes hier 21 Jahre ohne ihn auf Lasaliel verstrichen waren. Und er sich an seine ersten fünf Lebensjahre wettertechnisch nicht so supergut erinnern konnte. Er hatte ein Gespür dafür. Er war ein Windwesen, wen wunderte das also?
Er ließ Zaires letzte Bemerkung unkommentiert. Gavotte ging selten den bequemen Weg. Aber hoffen durfte man. Wenn sie wüsste, wie oft sie sich schon selbst das Leben zur Hölle gemacht hatte, nur weil sie überall Gespenster sah...
"Nein. Ich glaube, ich sollte noch nichts essen", antwortete er und zeigte sich somit gleichzeitig einverstanden, dass Zaire seine wohlverdiente Ruhepause einlegen durfte. Er würde ein paar Minuten abwarten, bis der junge Mann sich hingelegt hatte.

Ein leiser zustimmender Laut war alles, was noch von ihm kam. Er sah Zaire noch einen Augenblick lang bei seinem Tun zu, senkte dann jedoch die Lider und lauschte ihm nur noch. Ziemlich bald kehrte Ruhe ein. Wenn man das bei dem lauten Heulen und dem Donnergrollen dann und wann so sagen wollte. Ruhe herrschte wohl nur hier drinnen. Mit dem leisen Knistern des Feuers war es fast schon gemütlich.
Ja, richtig gemütlich mit einem andern Kerl mitten im Nirgendwo in einem kleinen Lager... Nicht.
Die Seite war seine präferierte Schlafposition, doch er wollte seinen Brustkorb und die lädierte Schulter samt Hüftknochen noch schonen, weshalb er auf dem Rücken liegen blieb. Außerdem vergingen nur einige Minuten, bis Zaires leise Atemzüge verrieten, dass er eingeschlafen war oder zumindest kurz davor. Er atmete einmal langsam ein und aus und ganz bewusst tief, um die Lunge und die Rippen zu testen. Es fühlte sich noch etwas merkwürdig an, aber es tat nicht weh.
Dann setzte er sich langsam auf und beherzigte dabei nicht unbedingt Zaires Rat, sondern seine eigenen Erfahrungswerte. Er stützte sich auf den unversehrten linken Arm und wartete ein paar Sekunden ab. Am Anfang merkte er den Schwindel etwas, nichts dramatisches jedoch, sodass er anschließend auch den Kopf testweise etwas drehen und den Nacken lockern konnte. Er blickte an sich hinab und verzog den Mund still zu einem dünnen Strich, als er die ganze bunte Vielfalt des Hämatom-Regenbogens auf seinem Oberkörper entdeckte. Er zog auch den Hosenbund und den der Shorts darunter etwas vom Hüftknochen, um sehen zu können, wie weit der hässliche Fleck denn über Leiste und Sitzfleisch ging, stellte aber erleichtert fest, dass es nicht allzu schlimm aussah. Ein innerer Bluterguss im Bauchraum hätte ihm auch noch gefehlt.
Der eigentliche Grund der ganzen Aktion stellte sich anschließend heraus, denn er griff nach dem Sarashi. Auch, wenn das Ding ein paar Blutspritzer abbekommen hatte, hinderte es ihn nicht daran, es wieder um den Hals zu wickeln und das Ende sorgfältig festzustecken. Nicht ganz einfach mit dem lädierten Arm, aber er hatte genug Übung darin, dass sein Hals am Ende recht ordentlich verbunden und die Narbe vollständig verdeckt war. Danach legte er sich wieder hin. Über die Decke war er immer noch ganz froh und legte sie wieder über sich. Dann schloss auch er endlich die Augen, und als hätte sein Kopf auf das Signal gewartet, war er nach kaum zwei Minuten eingeschlafen.
Die Erschöpfung und das Echo der Verletzungen sollten seinen Körper tief in den Schlaf locken - doch auch wenn sein Kopf dem Körper die benötigte Ruhe einforderte, war zu viel los und der Gedanke an das flüchtige Pferd und die Ware blieb stets an oberster Stelle, sodass er wahrscheinlich nicht so schnell wieder wachwerden würde wie Zaire, aber doch innerhalb der nächsten anderthalb Stunden.
Glücklicherweise wurde der Sturm währenddessen wirklich schwächer. Das Donnergrollen entfernte sich, die Blitze waren nicht mehr so hell und kamen seltener, der Wind ließ deutlich nach - nur weiterregnen tat es.

Arrow war bereits wach, als Zaire zu sich kam. Oder… Nun ja, er war vorher mal wach gewesen, weil auch er eine gute innere Uhr hatte und die wertvollen Schmuckstücke in seinem Kopf herumkullerten wie besonders hartnäckige Kopfschmerzen. Aber er war offenbar noch einmal eingedöst, denn das nächste, was an sein Bewusstsein drang, waren eine leichte Bewegung neben ihm und ein scharfes Luftholen. Mehr brauchte es nicht, damit er wieder aufwachte.
Er blinzelte und holte tiefer Luft, vergewisserte sich, dass kein sofortiger Handlungsbedarf bestand, und ließ Zaire erst einmal in Ruhe, der sich nicht gleich regte. Er schloss die Augen wieder und lauschte den leisen Geräusche, die er verursachte, als er sich schließlich aufsetzte, blinzelte dann aber doch, um ihm dabei zusehen zu können, wie er fahrig die kleine Flasche öffnete und daraus trank. Er sah nicht so gut aus.
"Alles okay?", fragte er ihn, als er sich zu ihm drehte, wohl um ihn zu wecken. Die Mühe musste er sich immerhin nicht mehr machen. Das Feuer war fast erloschen, aber die Berechnung, die in seinen Augen glitzerte, war trotzdem deutlich zu erkennen. Genauso hatte Arrow keine Schwierigkeiten, Zaire anzusehen, dass es ihm nicht so gut ging. Dämmerlicht und Dunkelheit brachen seinen Augen nicht viel ab.

Es war offensichtlich, dass sie es beide nicht schätzten, wenn der jeweils andere in seinen Angelegenheiten rumbohrte. Und wirklich, Arrow hatte echt anderes zu tun. Aber wie gesagt: Wenn es Zaire scheiße ging und er es ihm verheimlichen wollte, war das nur in Ordnung, solange es am Ende nicht auf ihn zurückfiel. Daher die Frage. Dementsprechend perlte aber auch der kühle Blick des anderen einfach an ihm ab oder wurde vielmehr mit einem ähnlichen Blick bedacht. Das Lächeln hingegen stieß auf keine Erwiderung, da Arrow kein sozialer Schmetterling und nicht auf Harmonie und gegenseitiges Verstehen aus war.
Dafür war das Thema aber zunächst trotzdem abgehakt. Den Hals nunmehr wieder verbunden, kam er aus dem Liegen langsam in eine sitzende Position. Da er das vor einer Weile schon mal getestet hatte, war er jetzt zufrieden damit, dass der Schwindel fast ausblieb und er nur den Blutdruck für einen Moment deutlicher im Kopf spürte. "Ist nicht mein erster gebrochener Arm. Kann ich mit leben." Davon abgesehen hatte Zaire ja auch echt genug Demolagen an ihm repariert. Er konnte kaum beleidigt sein, wenn sein Arm Pech gehabt hatte. Er konnte das Schwert zur Not auch mit links führen und mit einer Hand reiten. Auch wenn man das nicht glauben wollte, wo ihm doch das Pferd abgehauen war.
Er nickte leicht, rührte die Flasche aber nicht von selbst an. Er ging davon aus, dass Zaire sich erst seinen Arm ansehen wollte. Er schob die Decke in den Schoß, damit er freien Blick darauf hatte und die Schiene abnehmen konnte, wenn nötig.

Sein Arm war noch gebrochen und das Schmerzmittel schon seit ein paar Stunden in seinem System. Daher war es wohl nicht verwunderlich, dass es langsam seine Wirkung verlor und neben der angenehmen Wärme auch ein wesentlich unangenehmeres Stechen durch den Unterarm in den Ellbogen zuckte. Aber Arrow muckste sich nicht und seine Züge spannten sich nur ein wenig, während er Zaire bei seinem Tun beobachtete.
Was immer er beim Heilen machte oder wie er diese Fähigkeit einsetzte, sie war anders als jede Heilung, die Arrow bisher mitgemacht hatte. Es fühlte sich nicht so an, als würde Zaire die Kraft der Erde verwenden, und auch mit Wassermagie hatte er andere Erfahrung gesammelt. Die Wärme ... deutete eher auf das Feuerelement hin... Es wäre das erste Mal in seinem Leben, dass er von heilender Feuermagie hörte. Sicher, er war ein wenig voreingenommen, da er Feuer nur als zerstörerische Kraft kannte. Okay, die dann und wann auch ganz hübsch aussah und wärmte und Licht gab. Aber Heilung?
Seine Gedanken waren ihm nicht anzusehen. Und mit Freundensprüngen nahm er es natürlich auch nicht auf, dass er mit gebrochenem Arm durch die Gegend musste.
"Na immerhin...", bemerkte er leise und warf einen letzten Blick auf den kleinen Knubbel der Bruchstelle, ehe Schiene und Verband wieder angelegt wurden. Anschließend griff er nach seinem Shirt, das dank der Haori darüber nicht zu viel Dreck abbekommen hatte. Glücklicherweise hatte er kein allzu enges ausgewählt, sodass er es mit ein wenig Mühe auch über den geschienten Arm gestreift bekam. Die Jacke, die bisher als seine Kopfstütze gedient hatte, war viel einfacher anzuziehen wegen der weiten Ärmel und der Tatsache, dass sie nun mal vorn offen war und nicht über den kopf musste. Das Band blieb erst mal ungebunden.
"Wie alt bist du?", fragte Arrow und nahm das kleine Fläschchen, nachdem Zaire etwas daraus getrunken hatte. Keine Frage, um sich mit ihm zu vergleichen. Er nahm etwas von dem Fläschchen und verzog leicht das Gesicht trotz Vorwarnung. Er hasste bittere "Getränke".

Arrow zog das Schwert zu sich herüber und legte es seitlich über den Schoß, während Zaire damit beschäftigt war, seine Sachen zusammenzupacken. Er hatte natürlich viel mehr dabei als Arrow. Zur Hand gehen konnte und wollte er nicht, um nicht in seinen Gegenständen herumzuwühlen und weil er sowieso viel länger für alles gebraucht und nur im Weg gewesen wäre. Allerdings hatte er auch nichts Besseres zu tun, weshalb er ihn beobachtete und sich die Flasche wieder wegnehmen ließ. Der bittere Geschmack hing ihm noch ein wenig nach, aber er beschwerte sich nicht darüber.
Ein leiser Laut kam von ihm, um zu zeigen, dass er Zaires Antwort vernommen hatte. Eine Gegenfrage kam nicht, und tatsächlich war das eins der seltenen Male, dass der Befragte nicht gleich eine Antwort auf dieselbe Frage haben wollte. Zaire war ihm in der Hinsicht wohl sehr ähnlich. Dabei war die Frage von Rang und Alter dort, woher Arrow kam, tatsächlich ein ständiger Begleiter gewesen. Der Grund seiner Frage rührte jedoch nicht daher, sondern von Zaires Geschick und der Routine, mit der er alles tat und ihn geheilt hatte. Es deutete darauf hin, dass er es intensiv gelernt oder schon sehr lange beherrschen musste. Bei einem jungen Mann von 24 Jahren kam die erste Alternative in Betracht und ließ ihn vermuten, dass Zaire menschlich war.
Er richtete sich auf die Knie auf und machte sich daran, das Stoffband der Haori festzuziehen. Es war mit einer Hand nicht einfach, doch er bat nicht um Hilfe und zog es fest genug, dass die Jacke verschlossen blieb und er anschließend das Katana daran befestigen konnte. Nur auf die Schlinge musste er warten. Sein Aufzug war genauso unscheinbar wie der des anderen Mannes, nur noch farbloser, da er bis auf die graue Haori schwarze Kleidung trug.

Die Frage nach seinem Alter blieb auch weiterhin aus - stattdessen kam die Frage nach dem Grund seiner eigenen.
"Ich habe mich nur gefragt, wie alt man für das sein muss, was du tust", antwortete er wahrheitsgemäß und sah ihm dabei zu, wie er sich ein Paar schwarzer Handschuhe überstreifte. Das, was er als eine großflächige Brandvernarbung an seiner einen Hand einschätzte, verschwand unter dem dunklen Leder wie der silberne Dornenkranz unter seinem Sarashi.
Ohne Zicken ließ er sich von Zaire die Schlinge umlegen, die er nicht nur an der Schulter befestigte, sondern auch an der Taille fixierte. Es gefiel ihm nicht ganz, dass es so schwieriger wäre, den Arm herauszuziehen, und er sich insgesamt noch bewegungloser anfühlte als nur mit Schiene und mit einfacher Schlinge. Aber wenn er sich auf ein Pferd setzen wollte, war es wohl besser so, damit er die Speiche nicht in zwei Hälften brach wie einen Zweig.
"Wenn es nicht mehr lange hält, wäre noch was davon nicht schlecht", sagte er, da Zaire das Schmerzmittel erwähnt hatte. Er hatte nur keine Lust, nichts mehr zu spüren, und wollte es daher nicht überdosieren, indem er zu früh noch etwas davon nahm. Aber andererseits kehrte der Schmerz in seinen Arm eindeutig zurück und auch der Rest seines Körpers fühlte sich nicht mehr so schmerzfrei an wie in gesundem Zustand.

“Verstehe“, gab Arrow unverbindlich zurück und nahm das kleine Fläschchen entgegen, das Zaire ihm daraufhin reichte. Nun, natürlich war er nicht der einzige, der schon im frühen Kindesalter an seinen späteren Job herangeführt wurde. Trotzdem bedeutete es nicht zwangsweise, dass man hinterher mal gut darin war. Er schob das Fläschchen mangels anderer Möglichkeiten in die Hosentasche und kam dabei ebenfalls auf die Beine. Schön langsam, aber nicht ohne das Schwert zu bemerken. Nicht dass er glaubte, plötzlich etwas von Zaire befürchten zu müssen. Er hätte es noch vor wenigen Stunden wesentlich leichter gehabt, ihn umzubringen.
Arrow folgte ihm nach draußen und wünschte sich ehrlicherweise genauso wieder zurück unter die schützende Plane. Schon das erloschene Feuer hatte ihn demotiviert – der widerliche Niesel, der auch noch vom Wind getrieben wurde, war alles andere als einladend.
“Ich nehme an, du bist ein Schönwetter-Mensch“, kommentierte er trocken und ohne ein Lächeln. Zaire trat praktischerweise das Gras etwas platt, sodass es leichter für ihn war, ihm zu folgen. Er hatte sich auf der Suche nach einem geschützten Flecken von der Straße entfernt, dementsprechend unschön war es.
Sein Blick streifte einen Moment lang das Pferd, ehe er sich zu orientieren versuchte. In der Dunkelheit nicht einfach, auch für ihn nicht. Na, das würde ja eine spaßige Suche… Mit etwas Abstand und gut sichtbar für die Stute blieb er stehen, während sie sich überhaupt nicht darüber zu freuen schien, sie zu sehen. Hoffentlich würde sie Gavotte nicht hassen, vorausgesetzt, sie fanden sie. Sonst käme sie sich ziemlich verarscht vor, dass sie bei diesem Wetter mitten in der Nacht auch noch einen unangenehmen Mitgaul suchen musste. Aber sie war bestechlich. Mal sehen, wie lange, wenn sie herausbekam, dass sie zwei Leute tragen sollte. Wobei eher die Anzahl und weniger das Gewicht das Thema sein dürfte.
“Hat sie irgendwelche … Macken, von denen ich wissen sollte?“, fragte er und hängte letzten Satzteil an, da für ihn offensichtlich war, dass das Tier Macken hatte. Als er sich sicher war, dass sie den ersten Schock hinter sich gebracht hatte, trat er näher und gab ihr die Gelegenheit an seiner Hand zu riechen. Er hatte keinen Draht zu Tieren, aber wie man mit Pferden umging, wusste er. Das war auch an seiner Körpersprache zu erkennen.